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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Ein guter Freiwilligendienst ist Lerneinsatz, nicht Abenteuerurlaub

Was kann ich als Freiwillige dazu beitragen, dass mein internationaler Freiwilligendienst nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen vor Ort zu einer tollen Erfahrung wird? Wir haben bei Laura Plochberger, der Koordinatorin der internationalen Freiwilligendienste ausserordentlich nachgefragt.

ausserordentlich – das sind die internationalen Freiwilligendienste MaZ Salvatorianer, Jesuit Volunteers, IFE Kapuziner, MaZ Steyler Missionsschwestern und Steyler Missionare und MBB Steyler Missionsschwestern. Gemeinsam versucht ausserordentlich, das Engagement von Ordensgemeinschaften für das gute Leben für alle durch Freiwilligendienste erfahrbar zu machen. Aber internationale Freiwillige agieren nicht einfach in einem Vakuum. Sie befinden sich in einer Situation, die von postkolonialen Machtverhältnissen geprägt ist.

 

 

Koordinatorin Laura Plochberger © ausserordentlich
 

Laura Plochberger im Büro © ausserordentlich

 

Laura, du koordinierst die internationalen Freiwilligendienste der Ordensgemeinschaften seit fast zwei Jahren. Was macht internationale Freiwilligendienste mit einer Ordensgemeinschaft besonders?

 

Laura: Grundsätzlich gibt es für junge Erwachsene unzählige Möglichkeiten, eine Zeit lang als Freiwillige im Aus- und Inland Projekte zu unterstützen. Es gibt eine Vielzahl an Initiativen und Freiwilligendiensten, wo du dich einbringen kannst. Eine größere Anzahl davon wird von religiösen Institutionen betrieben. Auch verschiedene Ordensgemeinschaften bieten an, dass du in von ihnen betriebenen Projekten eine Zeitlang mitarbeiten kannst.

 

Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass es eine enorme Diversität an Ordensgemeinschaften gibt, die sich aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Verortungen bewegen. Allein in Österreich gibt es 192 verschiedene Ordensgemeinschaften. Ordensgemeinschaften sind meist historisch aus der Notwendigkeit heraus entstanden, auf gesellschaftliche Missverhältnisse zu reagieren. Deshalb betreiben viele Ordensgemeinschaften auch heute noch Projekte, die sich für das gute Leben für alle einsetzen, wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Projekte zur Unterstützung von wohnungslosen Menschen, geflüchteten Menschen oder sonst schutzsuchenden Menschen einsetzen.

 

ausserordentlich vermittelt Freiwillige in diesen Projekten, die von Ordensgemeinschaften betrieben werden – und das auf der ganzen Welt. Das ermöglicht, das internationale Engagement einer in Österreich aktiven Ordensgemeinschaft kennenzulernen.

 

Dass Ordensgemeinschaften auf der ganzen Welt wirken, ist nicht einfach so passiert: Die weltweite Verbreitung von Katholizismus hat eine lange Geschichte und ist sowohl verbunden mit Gewalt und Ausbeutung – denken wir etwa an die Christianisierungsmission während der Conquista oder die grausame Geschichte der Residential Schools in Kanada – als auch mit Menschen, die dieser Ausbeutung die Stirn bieten. Zwei spannende Beispiele dafür sind etwa die Geschichte der Jesuitenreduktionen oder die Rolle von Befreiungstheolog*innen – und es gibt noch mehr.

 

Auch heute noch sind Ordensgemeinschaften auf der ganzen Welt aktiv und bestimmen politische Diskurse mit.

 

 

Warum macht ausserordentlich keine Entwicklungshilfe?

 

Wir bieten jungen Menschen die Möglichkeit, das Engagement von Ordensgemeinschaften und der örtlichen Gemeinschaft, in die sie eingebunden sind, kennenzulernen und mitzuleben.

 

Viele unserer Freiwilligen absolvieren ihren internationalen Freiwilligendienst direkt nach ihrer Matura. Das sind junge Menschen, die am Anfang ihres Erwachsenenlebens stehen, keine jahrelang ausgebildeten Fachkräfte. Aber trotzdem werden internationale Freiwilligendienste mitunter so verkauft: Du fährst an einen anderen Ort, der als fremd dargestellt wirst und hilfst dort den Menschen, ihre Lebensumstände zu verbessern. Das ist ein Bild, das eine Geschichte hat – es kommt aus der Zeit, als Missionar*innen Zivilisierungsmission betrieben haben.

 

 
Es ist nicht unsere Aufgabe, zu belehren, sondern, wie es der Steyler Missionar Franz Helm zusammengefasst hat: Zu tun, was Jesus getan hat. Und das bedeutet, sich solidarisch zu zeigen mit ausgebeuteten und arm gemachten Menschen.
 
 

 

Aber was ist dann die Aufgabe eines internationalen Freiwilligendiensts?

 

Ein internationaler Freiwilligendienst ist eine Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand zu blicken und kennenzulernen, wie sich Menschen an einem Ort, den du noch nicht kennst, organisieren, um für das gute Leben für alle einzutreten. Ein Freiwilligendienst ist eine Einladung, zur Lernenden zu werden.

 

Denn: Arme Menschen sind nicht arm, weil das einfach so ist, sondern weil sie arm gemacht wurden. Wir leben in einer Welt, in der es leider immer noch Ausbeutung und globale Ungleichheit gibt. Das sind strukturelle Umstände – das ist Kapitalismus, das ist Kolonialität - und Umstände, die keine Einzelperson, insbesondere wenn sie die Umstände vor Ort nicht kennt, die Sprache mitunter nicht (gut) spricht und noch sehr jung ist, ändern wird. Das erfahren auch viele Freiwillige. Das wiederum ist eine prägende Erfahrung, die starke Auswirkungen auf die Menschen hat, die sie erleben: Die Ausbeutung und die Gewalt ist real, und Menschen aus dem globalen Norden haben eine unangenehme und brutale, gewaltvolle Rolle in ihr gespielt. Was machst du dann als Person damit?

 

 

Welche Auswirkungen kann globale Ungleichheit auf einen internationalen Freiwilligendienst haben?

 

Junge Menschen, die ein Jahr mit einer Ordensgemeinschaft in den globalen Süden gehen, agieren nicht in einem Vakuum: Sie gehen in Institutionen, die eine jahrzehnte- ja teilweise jahrhundertelange Geschichte haben und ihr Mutterhaus oft nicht an dem Ort haben, wo sie gerade wirken. Und diese Geschichte ist untrennbar mit Kolonialismus verbunden. Das beeinflusst die Art und Weise, wie ein Miteinander mit den Menschen vor Ort funktionieren kann.

 

 

Was sind Dinge, die ich konkret tun kann, wenn ich mich respektvoll den Menschen gegenüber verhalten will, mit denen ich ein Jahr lang mitlebe?

 

Ich glaube, am wichtigsten ist es zuzuhören und sich kritisch mit der eigenen Rolle auseinandersetzen:

  • Was heißt es, als meist weiße Freiwillige in ein Land des globalen Südens zu reisen und so eine Möglichkeit wahrzunehmen, die viele Menschen aus dem globalen Süden umgekehrt wohl nie haben werden?
  • Eine weitere wichtige Frage ist die Grundfrage, was eigentlich das Ziel eines Freiwilligendiensts ist. Denn ein Freiwilligendienst ist keine Entwicklungshilfe, und sie als solche zu betrachten geht vom Zweck und Sinn von Freiwilligendiensten vorbei. Freiwilligendienste sind eine tolle Möglichkeit, das praktische Engagement von Ordensgemeinschaften und die Stärke von Gemeinschaften an anderen Orten sowie ihr Engagement für das Gute Leben für alle kennenzulernen und spannende Lernerfahrungen zu machen.
  • Und um herauszufinden:
    • Wer bist du, wenn du nicht in die Umstände eingebunden bist, in denen du dein Leben bis jetzt gelebt hast?
    • Wenn du in Kontakt kommst mit Ordensleuten, die einen Weg eingeschlagen haben, der anders ist als der Weg vieler Menschen in dem Umfeld, in das sie geboren wurden?
    • Was macht das mit dir?

Schritt für Schritt zum Freiwilligendienst im Ausland 

Wenn ich mich für einen internationalen Freiwilligendienst interessiere, was sollte ich am besten beachten, um eine gute Entscheidung zu treffen?

 

Es gibt ein paar Faustregeln, die dir helfen, deinen Freiwilligendienst zu planen:

  • Schau dir gut an, wie ein Freiwilligendienst beworben wird: Internationale Freiwilligendienste sind solidarische Lerneinsätze und kein Abenteuerurlaub. Schau gut hin, als was dir hier ein Freiwilligendienst verkauft wird.
  • Je länger, desto besser. Anzukommen, sich auf ein neues Umfeld einzulassen benötigt Zeit. Deshalb bevorzuge auf jeden Fall Langzeiteinsätze gegenüber Kurzzeitfreiwilligendiensten.
  • Auch wichtig: gut abzuklären und sich genau mit den Kontaktpersonen der Freiwilligenorganisation abzusprechen – was werden deine Aufgaben als Freiwillige*r sein? Kannst du diese gut erfüllen? Wie weit möchtest du in eine Ordensgemeinschaft eingebunden sein? Was sind deine Bedürfnisse, und wo können sie am besten erfüllt werden?

Weitere Informationen zu ausserordentlich bekommst du hier: ausserordentlich.at

Laura Plochberger

Seit fast zwei Jahren koordiniere ich die internationalen Freiwilligendienste der Ordensgemeinschaften.

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