Andere sind hochbegabt - und was bin ich?
Ein Studienkollege ist hochbegabt und du fühlst dich minderwertig? Was Hochbegabung bedeutet und wie du mit Selbstzweifeln umgehen kannst.
Auch du hast vielleicht in deiner Schulzeit oder an der Uni Bekanntschaft mit sehr begabten Menschen gemacht. Bestimmt hast du schon einige Hochbegabte getroffen und dir dann gedacht, dass du "nicht so gut" in manchen Dingen bist oder dich "minderwertig" oder sogar "dumm" gefühlt? Leider vergleicht man sich oft mit Kollegen oder Freunden - vor allem im Bildungsbereich zweifelt man dann schnell an seiner eigenen Intelligenz.
Was du nie vergessen solltest, ist, dass auch du Qualitäten aufweist, die dich einzigartig machen. Vielleicht bist du besonders einfühlsam, hast eine blühende Fantasie, erfindest mit Leichtigkeit Rezepte oder kannst Menschen gut von Dingen überzeugen?
Was zeichnet hochbegabte Menschen aus?
Hochbegabt auf einem speziellen Gebiet, besonders schlecht in einem anderen Bereich? Hochbegabung hat viele Ausprägungen. © iStock / MEINPLAN.at
Die klassische Klassifikation bezeichnet einen Menschen dann als hochbegabt, wenn der IQ über einem gewissen Wert liegt. Das impliziert natürlich, dass dieser Wert getestet wurde. Hochbegabung reicht von einer enormen Begabung in einem Teilbereich (wie zum Beispiel der Mathematik) bis hin zu einer generell schnelleren Auffassungsgabe. Das wesentliche Kennzeichen ist aber ein enorm hohes Interesse: Das kann sowohl nur einen Teilbereich betreffen als auch mehrere Bereiche.
Der ,,klassisch hochbegabte Mensch“ ist also nicht immer das Wunderkind, das Klassen überspringt und mit neun Jahren Einstein an Wissen übertrumpft. Hochbegabt zu sein bedeutet in erster Linie, sich zu interessieren! Ich habe zusammen mit Menschen studiert, welche als ,,hochbegabt“ gelten – wie die wohl waren?
Die Erwartungen
,,Ich wette, denen fiel alles total leicht und außer Einsern gab es nichts!“ -Nein nein…da muss ich dich enttäuschen. Die Hochbegabten waren auf gewissen Gebieten enorm schnell – und in manchen Fächern bekamen sie gerade noch ein ,,Genügend“. Ja, du hast richtig gelesen: Auch Hochbegabte haben ihre Schwächen und müssen sich durch manche Lerngebiete extrem durchplagen. So kam es vor, dass ein Kollege hinsichtlich Mathematik blitzschnell kapierte, worum es ging – ja, er war laut unserem Lehrer talentierter als dieser Lehrer selbst – und in einer Sprache die Grammatik einfach nicht oder nur sehr schwer gebacken bekam. Wenn du mit Hochbegabten studierst, bedeutet das also nicht, dass diesen alles zufliegt – sie müssen sich sehr wohl anstrengen!
Hochbegabung – auch in meiner Familie
Mindestens ein Mitglied meiner Familie ist ,,hochbegabt“. Dies zeigte sich dadurch, dass er die HTL mit Bestnoten abschloss und auch an der TU mit lauter ,,Sehr gut“ brillierte, sodass die Firmen förmlich um ihn kämpften. Wie steht es aber um ganz andere Teilbereiche? Ist derjenige in allem wahnsinnig begabt? – Nein.
Es gibt deutliche Schwächen und Bereiche, in denen auch er sich sichtlich schwertut. Nebenbei erwähnt, auch Hochbegabte sind nur Menschen: Sie vergessen Sachen, sind schlampig, versemmeln etwas oder sind in einem Teilbereich sogar außerordentlich schlecht. Und was ich dir noch mit auf den Weg geben will: Begabungen müssen gefördert werden. Daher sind jene, welche als ,,besonders schlau“ gelten, meist auch richtig gefördert worden. Andere wurden das nicht (zum Beispiel aus finanziellen Gründen) – und niemand, einschließlich sie selbst, wird je von der Begabung erfahren.
Kenne deine Stärken
Frage dich: Worin bist du gut, wo liegen deine Interessen und Stärken? © iStock / MEINPLAN.at
Die Conclusio ist also, dass du dich auf keinen Fall minderwertig fühlen solltest, wenn jemand aus deiner Umgebung als ,,hochbegabt“ gilt und du nicht. Ich bin mir nämlich sicher, dass es viel mehr überdurchschnittlich intelligente Menschen gibt, als bekannt ist. (Vor allem, da ich oft das Gefühl habe, dass Begabungen nur dann "respektiert" werden, wenn sie in das Themenspektrum von Uni oder Schule passen. Begabungen wie Empathie, gute Menschenkenntnis, eiserne Geduld oder ähnlichen Gaben wird oft kein Wert beigemessen.) Gerade dann, wenn man mit anderen verglichen wird, ist es umso wichtiger, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu sein.
Frage dich also: Was sind deine Stärken? Bekommst du – so wie ich – nicht mal Fertigkuchen hin, bist dafür aber unglaublich an psychologischen Zusammenhängen interessiert und verstehst komplexe Texte leichter als der Durchschnitt? Oder bist du eher jemand, dem alles gelingt – und der dann doch in dieser einen Sache (beinahe) komplett versagt?
Ich möchte an dich appellieren, deine Stärken zu eruieren und zu fördern – ich selbst habe lange gebraucht, um Stärken tatsächlich benennen zu können. Diese Stärken sind es aber, die – richtig eingesetzt – dir häufig einen unglaublichen Vorteil verschaffen.