Worauf es beim Sprachen Lernen wirklich ankommt
Vier Jahre Französisch in der Schule und trotzdem fühlst du dich kaum in der Lage, ein einfaches Gespräch auf Französisch zu führen? Gleichzeitig berichten andere Leute im Internet, wie sie es geschafft haben innerhalb von drei Monaten fließend in einer Fremdsprache zu werden. Sind sie einfach nur Genies oder haben sie vielleicht einen besonderen Trick, wie man jede Sprache kinderleicht lernt?
Gleich mal vorweg, man muss kein Genie sein, um eine Sprache zu lernen, aber es gibt auch keinen magischen Trick, mit dem es völlig mühelos funktioniert. Trotzdem sind da einige Faktoren und Techniken, mit denen du den Lernprozess deutlich effektiver gestalten kannst.
Ich persönlich habe mir schon lange vorgenommen, eine neue Sprache zu lernen und nach meinem Erasmus-Aufenthalt ist dieser Wunsch immer größer geworden. Da ich mittlerweile sehr viele Freund*innen aus Italien habe und auch mit einigen Italienerinnen zusammenlebe, habe ich mich dazu entschieden, italienisch zu lernen. Seit ungefähr zwei Monaten übe ich jetzt also täglich und bin schon fast auf demselben Level wie mit meinem Französisch, das ich sechs Jahre in der Schule hatte. Das ist jetzt eher ein Armutszeugnis für mein Französisch, als ein Lob für mein Italienisch, aber es zeigt mir, dass es einen großen Unterschied macht, wie und vor allem warum man eine Sprache lernt.
Die richtige Motivation
Der wichtigste Faktor, um beim Sprachen lernen erfolgreich zu sein, ist wohl genug Motivation mitzubringen, aber vor allem auch die richtige. Nur wenn deine Motivation von innen kommt und du echtes Interesse für die gewählte Sprache aufbringst, wirst du es schaffen, dich über einen längeren Zeitraum regelmäßig hinzusetzen, um Vokabeln und Grammatik zu pauken.
Kein guter Grund, eine neue Sprache zu lernen, wäre zum Beispiel der jetzt in der Coronakrise teilweise grassierende Druck, man müsse doch die viele freie Zeit unbedingt nutzen, um irgendetwas zu erledigen, etwas Neues zu lernen und sich selbst zu optimieren. Wenn du allerdings wie ich schon länger den Plan gefasst hast, eine Fremdsprache zu lernen, bietet sich die Zeit jetzt natürlich gut an.
Bevor du anfängts, solltest du dir also deine Motivation und dein Warum vor Augen führen und auch über eine zweite Sache solltest du dir besser im Vorhinein klar werden.
Was Ist dein Ziel?
Worauf möchtest du hinarbeiten? Wozu willst du am Ende fähig sein? Für einen großen Teil der Personen, die eine Sprache lernen wollen, lautet die Antwort auf diese Frage wahrscheinlich, die meisten Alltagssituationen in der gewählten Sprache bewältigen zu können und ohne größere Probleme ein Gespräch mit einem/r Muttersprachler*in zu führen.
Versuche deine Ziele möglichst konkret und spezifisch zu formulieren. Du kannst sie auch in verschiedene Bereiche, wie Lesen, Schreiben, Sprechen und Verstehen aufteilen.
Womit starten?
Vokabeln, Aussprache, erste Grammatikkonstruktionen. Es kommt viel auf dich zu. Womit also anfangen? Mein Tipp ist, dich als erstes mit den Lauten deiner Zielsprache zu beschäftigen und dich mit den Besonderheiten der Aussprache vertraut zu machen. Dazu findest du höchstwahrscheinlich nützliche Anleitungen im Internet.
Der nächste Schritt ist dann ein solides Grundvokabular aufzubauen. Ein gute Nachricht vorweg: In den meisten Sprachen reichen einige tausend Vokabel, um den Großteil dessen, was im Alltag gesprochen wird zu verstehen. Dazu musst du allerdings die richtigen Vokabeln lernen, nämlich jene die eben auch häufig verwendet werden. Im Internet gibt es für viele Sprachen Listen mit den 1000 am häufigsten benutzten Wörtern. So eine Liste ist ein guter Start, weil du damit auch gleich viele kleine Wörter wie "und", "auch", "jetzt" und so weiter lernst, die sehr, sehr wichtig sind, aber in vielen Lehrbüchern erst relativ spät gelehrt werden.
Während du dir die ersten Wörter einprägst, kannst du auch schon anfangen, einige einfache, aber wichtige Grammatikregeln zu lernen. Welche Artikel es in deiner Zielsprache gibt, wie der Plural gebildet wird und wie Verben im Präsens konjugiert werden, sind einige Grundlagen.
Ebenso hilfreich ist es, gleich zu Beginn einige simple Phrasen zu lernen, um dich vorzustellen und dein Alter und Herkunft anzugeben. Das erleichtert im nächsten Schritt den Gesprächseinstieg.
So bald wie möglich sprechen
Dieser Schritt ist eine Herausforderung und erfordert wahrscheinlich, dass du deine Komfortzone verlässt. Aber wenn du eine Sprache wirklich beherrschen willst, führt kein Weg daran vorbei, sie zu sprechen. Das ist auch einer der Gründe, warum so viele Menschen nach mehreren Jahren Fremdsprachunterricht immer noch kaum in der Lage sind, ein Gespräch zu führen. In der Schule wird der Fokus oft viel zu sehr nur auf das Pauken von Vokabeln und Grammatikregeln gelegt.
Ja, es ist notwendig Vokabeln und Grammatik zu üben, aber dieses Wissen wird dir nicht viel nutzen, wenn du nicht lernst, es anzuwenden. Und Anwendung bedeutet im Falle einer Sprache eben zu sprechen.
"Aber mit wem soll ich denn sprechen?", fragst du dich jetzt wahrscheinlich. Momentan ist eine Reise in ein Land, wo deine Zielsprache gesprochen wird wohl kaum möglich und die wenigsten werden wie ich das Glück haben, während der Coronakrise mit einem/r Muttersprachler*in in der gewünschten Sprache eingeschlossen zu sein.
Dank des Internets gibt es heute aber genug Möglichkeiten, dich mit Natives zu vernetzen. Mit Apps wie 'HelloTalk', 'Bilingua' oder 'Tandem' kannst du dich mit Muttersprachler*innen austauschen, chatten und telefonieren.
Sobald du also die ersten grundlegenden Vokabeln und Grammatikkonstruktionen gelernt hast, gibt es keinen Grund noch länger zu warten. Ich weiß, dass das den meisten anfangs sehr viel Überwindung abverlangt. Man fühlt sich auf einmal unsicher und wieder wie ein kleines Kind, wenn man versucht die ersten Sätze in der neuen Sprache zu formulieren. Aber Fehler zu machen ist okay, auch viele Fehler zu machen ist okay und ist sogar notwendig, um besser zu werden.
Wenn du dir am Anfang allerdings noch sehr unsicher bist, kannst du auch anfangen einfach mit dir selbst Gespräche in der Zielsprache zu führen, um dich ein bisschen daran zu gewöhnen, aber natürlich fehlt dann die direkte Rückmeldung.
Fokussiere auf das Wesentliche
Während des gesamten Lernprozesses solltest du deine Ziele nicht aus den Augen verlieren. Lerne Wörter und Phrasen, die nützlich sind, um diese zu erreichen. Halte dich nicht zu lange mit Details und sehr speziellen Wörtern und Konstruktionen auf, die du im Alltag wahrscheinlich kaum brauchen wirst.
Du kannst dir zum Beispiel eine Liste in deiner Muttersprache schreiben mit Verben, Nomen und Adjektiven, die du im Alltag häufig benutzt und dann gezielt nach der Übersetzung in deiner Zielsprache suchen.
Werde Kreativ
Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten, dich mit einer Sprache auseinanderzusetzen und spielerisch zu lernen. Werde kreativ und finde Wege und Möglichkeiten, die dir persönlich Spaß machen und für dich funktionieren.
Du kannst zum Beispiel nach Rezepten in deiner Zielsprache kochen (Rezepte sind überhaupt ein guter Start, um Lesen zu üben), Filme und Serien in der gewünschten Sprache anschauen, die Sprache auf deinem Smartphone ändern, und vieles mehr.
Baue kleine Übungen in deinen Alltag ein. Jeden Morgen beim Zähne putzen ein unregelmäßiges Verb konjugieren, die Einkaufsliste mal in einer anderen Sprache schreiben oder ein Home-Workout von einem/r Youtuber*in machen, der/die deine Zielsprache spricht.
Das sind natürlich nur ein paar Ideen, aber du kannst auch etwas ganz Anderes machen. Wichtig ist, dass es dir hilft dich mit der Sprache auseinanderzusetzen, während du gleichzeitig Freude daran hast.
Bleib Dran!
Eine Sprache lernt man nicht von heute auf morgen. Selbst wenn du wirklich täglich mehrere Stunden lernst und echt motiviert bist, wird es einige Monate dauern, bevor du ein solides Level erreicht hast.
Es wird Momente geben, wo du das Gefühl hast keine Fortschritte zu machen und du dich überfordert fühlst. Aber in diesen Zeiten heißt es durchzuhalten und dich an den kleinen Erfolgen zu freuen.