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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Wir wagen Begegnung

"Die christliche Motivation der Nächstenliebe, die Polarisierung in der Gesellschaft sowie der Austausch mit Freunden haben uns veranlasst, als Ehepaar einfach einmal die Adressen verschiedener Schwulenbars in Wien herauszusuchen, sie gemeinsam zu besuchen und zu schauen, was passiert."

Als Ehepaar teilen wir beide seit längerem den katholischen Glauben, wobei unsere eigenen Lebensgeschichten – nicht nur in Bezug auf den Glauben – so manche Wendungen, Höhen und Tiefen hatten. 

 

Es war unsere christliche Motivation der Nächstenliebe, die Wahrnehmung der Polarisierung in der Gesellschaft sowie der Austausch mit Freunden, die uns vor etwa zwei Jahren veranlasst haben, einfach einmal die Adressen verschiedener Schwulenbars in Wien herauszusuchen, sie gemeinsam zu besuchen und zu schauen, was passiert.
 

Am Anfang hat es definitiv etwas an Überwindung gekostet. Man hat ja noch gar keine Ahnung, fühlt sich fehl am Platz. Wir haben gemeinsam für den Abend gebetet und uns auf den Weg gemacht. Bei manchem, was man sieht, wird man auch deutlich aus der Komfortzone gestoßen. So ist die Innenausstattung mancher Lokale offenkundig nicht jugendfrei. Mancherorts waren wir auch nicht mehr so gern gesehen, sobald wir auf das Thema Kirche zu sprechen kamen. Es gibt aber genügend andere Adressen auf der Liste. Mehrheitlich haben wir sehr tiefgehende Gespräche geführt, v.a. mit Männern, die schon etwas längere Lebens- und Szeneerfahrung haben. Wir haben Menschen erlebt, die in diesen Bars einen regelmäßigen Ort und so etwas wie einen Halt oder ein Zuhause haben; die nicht ideologisch militant unterwegs sind. Wir sind mit der Zeit ins Gespräch gekommen über ihren persönlichen Weg, über ihre Gedanken zu sexueller Orientierung, darüber, ob ihnen der Glaube etwas bedeutet. Eine Sache, die viele „unserer“ Männer gesagt haben: Es stört sie, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Person auf die sexuelle Orientierung reduziert wird. Wir fanden auch interessant, dass die Bezeichnung „schwul“ von jenen, mit denen wir gesprochen haben, nicht einmal geschätzt wurde: weil man glauben könnte, es handle sich dabei um eine gesonderte Gesellschaft, mit einer gemeinsamen klar definierten Kultur, die sich eben vom Mainstream unterscheidet, und eine Homo- oder Pride-Ideologie sahen sie durchaus kritisch, v.a. wenn getan wird, als gäbe es keine Schattenseiten. Es herrscht doch nicht überall so viel „Pride“, wie die Medien einen glauben machen.

 

 
Es stört die Männer, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Person auf die sexuelle Orientierung reduziert wird. Wir fanden auch interessant, dass die Bezeichnung „schwul“ von jenen, mit denen wir gesprochen haben, nicht einmal geschätzt wurde: weil man glauben könnte, es handle sich dabei um eine gesonderte Gesellschaft, mit einer gemeinsamen klar definierten Kultur.
 
 

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Uns war es immer wichtig zu betonen, dass Menschen, deren Orientierung homosexuell geprägt ist, nicht Menschen zweiter Klasse sind und die Würde des Menschen, jedes Menschen, unantastbar ist. Für die Bar-Besucher war es offensichtlich eine Überraschung, dass ein älteres Ehepaar ohne jeden Themenbezug auf ein Glas Wein vorbeikommt, einfach nur um ins Gespräch zu kommen.
Manche gaben an, „mit der Kirche abgeschlossen“ zu haben, andere zeigten tiefe Fragen und offenes Interesse. Andere erzählen auch persönlicher aus ihrem Leben und es sind sehr unterschiedliche, oft gebrochene Wege, die sie am Ende zu einem homosexuellen Empfinden, Leben oder Outing geführt haben. Ihre Geschichten offenbaren eine Erlösungsbedürftigkeit, in der wir einander begegnen.

Leider hat der Beginn der Pandemie eine Fortsetzung dieser, für beide Seiten fruchtbaren Gespräche verhindert. Wir knüpfen aber nun dort an, wo wir damals aufgehört haben.

 

„Teil der Pride-Bewegung werden“ ist eine für uns unpassende Formulierung in Bezug auf die Kirche. Unsere Ansicht, nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben ist: Die Kirche – also wir Christen – darf sich auf keinen Fall von der LGBT-usw.-Szene zurückziehen. Weder sollte sie so tun, als wäre es eine Parallelgesellschaft, noch darf sie zulassen, dass es eine wird. Damit meinen wir nicht, dass wir uns als Kirche anbiedern sollen und das, was – z.B. im Bild von Mensch, Geschlechtlichkeit und Ehe – unser Erbe ist, verwischen, verleugnen oder dekonstruieren (lassen) sollen. Wir sehen es als wahrhaftigen Schatz, versuchen ihn in unserem Leben zu heben und erzählen auch davon, wenn wir gefragt werden. Aber Begegnung wagen, das soll man! Ohne die Menschen in Schubladen zu stecken, egal wie sehr sie es selbst tun mögen. Sich in Freiheit austauschen. So ereignen sich nämlich Überraschungen für beide Seiten. Dafür sorgt schon der Heilige Geist, wenn wir ihn lassen.

Heinz und Sissy
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