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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

What would Jesus do?

"Man braucht als Kirche keine ganze Bewegung zu unterstützen, um als Christ mit anderen Personen aufrichtige Begegnung und Freundschaft zu leben."

Die Pride-Bewegung betrifft zwar eine breite Vielfalt geschlechtlicher und identitätspolitischer Ausdrucksformen, aber ich möchte einfach einen Gedanken zur Thematik Homosexualität(en) herausgreifen, weil ich damit am meisten in Kontakt gekommen bin und es mich seit Längerem irgendwie umtreibt.

 

Sucht man im kirchlichen Kontext online nach Angeboten für Personen mit homosexueller Neigung, bekommt man mancherorts vielerlei theologische Einträge (die sich etwa mit der Unmöglichkeit der sakramentalen „Homo-Ehe“ beschäftigen oder Stellungnahmen zu Skandalen) –– aber kein Angebot. Wer hier etwas sucht, wird allein gelassen. In anderen Diözesen hingegen kommen wir auf die Seiten themenspezifischer Arbeitskreise und werden zu Queer-Gottesdiensten eingeladen, speziell „für gleichgeschlechtlich Liebende“. Sieht man sich dort um, bekommt man den Eindruck, dass es nicht nur um eine Willkommenskultur geht. Es wirkt, als solle nach innen Druck auf die Amtskirche ausgeübt werden, man wolle das Lehramt geändert sehen.

 

Hier scheint die Spannung zwischen Pride-Bewegung und Kirche quasi aufgelöst, durch eine grundlegende Anpassung und Eingeständnisse ausschließlich seitens der Kirche. Gibt es denn nichts „dazwischen“? Hat wirklich nur eine Seite von der anderen etwas dazuzulernen oder zu korrigieren? Im normalen Leben ist es doch meist komplexer.

 

In der Tat gibt es seitens der Kirche eine Menge unerledigter Hausaufgaben zu Themen rund um die Geschlechtlichkeit. Sie sind ja keine „Nebenfächer“ oder Randnotizen zum Leben. Leiblichkeit, Geschlechtlichkeit, das Erwachen und die Gestaltung der Sexualität sind Themen, die jeden Menschen betreffen, zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Weise. Wenn der Glaube unser ganzes Leben durchformen soll, warum dann nicht den Umgang mit unserer Leiblichkeit?

 

Wo sind die Menschen, die selbst betroffen sind und in der Kirche ihren Platz gefunden haben?

Natürlich geben sich die wenigsten mit der trockenen Lektüre von Lehrtexten zufrieden. Daher frage ich mich – wo sind die Menschen, die selbst betroffen sind, und erzählen könnten, wie sie ihren Platz in der Kirche und einen Weg gefunden haben, um die Spannung zwischen ihrem Erleben, Sehnen und Selbstverständnis einerseits, und der kirchlichen Weisung andererseits zu balancieren, diese Spannung nicht einfach nur einseitig, auf Kosten des je anderen aufzulösen? Frauen und Männer, die trotz eigenem z.B. homosexuellem Erleben in eine konstruktive Auseinandersetzung mit der kirchlichen Lehre eingetreten sind? Was war für sie wichtig? Sie wären möglicherweise spannende Role Models, die abseits vom Mainstream zum Nachdenken anregen.

 

Denn es gibt ja Menschen, Teenager und Erwachsene, die genau jetzt auf der Suche sind; die innerlich zerrissen sind; die nach einem Zuhause und einer Zukunft fragen. Und die oft das Gefühl haben, wegen ihrer homosexuellen Ausrichtung in der „normalen“ Kirche nicht willkommen zu sein. Oft wird ihnen das auch von außen vermittelt – leider auch durch Christen, aber quasi unvermeidlich in der queeren Community.

 

 
Aber warum sollte die Erlösung durch Jesus Christus für einen homosexuell orientierten Menschen weniger relevant sein als für alle anderen?
 
 

Aber warum sollte die Erlösung durch Jesus Christus für einen homosexuell orientierten Menschen weniger relevant sein als für alle anderen? Die Erlösung, die nach christlichem Verständnis „alles neu“ macht und die, wo immer sie im Herzen angenommen wird, die Identität eines Menschen auf ein zutiefst neues Fundament und in einen weiteren Horizont stellt und eine freie Entscheidung der Nachfolge ermöglicht.

 

Meine bisherige Erfahrung aus verschiedenen Begegnungen über die Jahre: Menschen mit homosexueller oder nicht-heterosexueller Neigung sind oftmals sehr suchende Menschen. Auch gibt es proportional viele, die es aus ganz verschiedenen Gründen nicht so leicht haben.


Daher denke ich, dass wir als Christen auf Betroffene zugehen sollten, einerseits im normalen Alltag, im Zuhören oder in gemeinsamen Unternehmungen, immer aus der Freude an Gott und aus der Hoffnung heraus, die uns selbst bewegt. Aber warum nicht auch durch spezifische Angebote, die – wenn Interesse besteht – auch das kirchliche Verständnis erschließen helfen?

 

Es muss ja niemand teilen, aber es verdient, unverzerrt und behutsam dargestellt und diskutiert zu werden. Jesus erzählte übrigens immer nur so viel „Ihr ertragen könnt“. Dafür braucht es Feingespür und uns als Christen, die ihren ganz eigenen Weg der Bekehrung und authentischen Reflexion gehen. What would Jesus do? Man braucht als Kirche keine ganze Bewegung zu unterstützen, um als Christ mit anderen Personen aufrichtige Begegnung und Freundschaft zu leben und einen wichtigen Unterschied zu machen.

Carl-Philip
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