Richtig lernen fürs Studium: Lerntipps von Werner Stangl
Eine umfassende Sammlung an Lerntipps von Experte Werner Stangl. Der Psychologe und ehemalige Professor stellt Lerntechniken und -hilfen vor.
Werner Stangl war Professor am Institut für Pädagogik und Psychologie an der Johannes Kepler-Universität Linz und hat eine beeindruckende Sammlung an Lerntipps veröffentlicht. Für uns hat er ein paar entscheidende Fragen beantwortet.
worauf kommt es an, dass ich mein Studium schaffe?
„Zunächst muss man in das System Hochschule überhaupt hineinfinden. Da im Gegensatz zur Schule kaum feste Vorgaben bestehen, ist es notwendig, sich die nötigen Informationen zu beschaffen, aber dafür gibt es ja die Hochschülerschaft bzw. Ansprechpartner an der Einrichtung mit ihren Beratungsangeboten. An den meisten Hochschulen werden Tutorien angeboten, in denen die Möglichkeit besteht, sich mit KollegInnen auszutauschen. Man sollte die soziale Komponente nicht unterschätzen, die wesentlich zum Studienerfolg beitragen kann“, sagt Werner Stangl.
- Sich zu Studienbeginn gut über das Studium und den Ablauf informieren.
- Mit Studienkollegen austauschen und zusammenarbeiten.
wie lerne ich die riesigen Stoffmengen?
„In diesem Fall ist Organisation alles!“, rät Werner Stangl. Es ist wichtig, sich den Studienalltag ähnlich einem Arbeitsalltag zu organisieren. Die Motivation kommt nicht von alleine – stattdessen hilft, sich an feste Arbeitszeiten zu gewöhnen.
Praktische Tipps fürs Zeitmanagement:
- Bei Vorlesungen und Seminaren reicht es nicht, anwesend zu sein. Rechne etwa ein bis zwei Stunden für die Vor- und Nachbereitung ein, um kontinuierlich mitzulernen.
- Teile deine Zeit in Lern- und Freizeit ein, ähnlich wie du einen Arbeitsalltag strukturieren würdest. Wer genügend Freizeit hat und sich dabei wirklich erholt, kann auch die Arbeitszeiten wirklich nützen.
- Bevor du zu lernen beginnst, mach dir einen Überblick über den Stoff, um abzuschätzen, wie schwierig die Stoffgebiete werden.
- Mach dir einen Lernplan und halte dich daran, anstatt ständig nachzudenken, ob und wann du was tun könntest. Fang einfach an!
- Wenn dein Plan nicht funktioniert, verändere ihn, aber halte dich daran.
- Plane realistisch: Nimm dir die schwierigsten Aufgaben und Themen in deiner leistungsfähigsten Zeit vor – am besten gleich in der Früh. Plane Zeitreserven ein, denn meist dauern Aufgaben länger als gedacht.
Wie finde ich meine Lerntechnik heraus?
Erstens bist du mit deiner bisherigen Lerntechnik bis zur Studienreife gekommen, also an Änderungen solltest du nur vorsichtig herangehen, rät Werner Stangl: „Immer nur dann, wenn man das Gefühl hat, man kommt mit der bisherigen Arbeitstechnik nicht weiter, etwas Neues probieren – ohne gewissen Leidensdruck neigen Menschen kaum dazu, etwas zu ändern!“
Dennoch kannst du deine bisherigen Lerntechniken auf ihre Eignung für die Universität hinterfragen bzw. für dich reflektieren, ob du das Lernen richtig angehst.
Lernst du richtig?
- Weißt du, zu welchen Zeiten du produktiv bist und nützt du diese Zeiten richtig?
- Berücksichtigst du die Lernphasen: aufwärmen, Überblick verschaffen, Pausen einplanen und einhalten, ausreichend wiederholen, am Ende belohnen?
- Hast du dir Lernziele gesteckt? Weißt du, was und warum du lernen möchtest?
- Unterstützt dich auch dein sonstiges Verhalten beim Lernen – gesunde Ernährung, Bewegung, Entspannung?
- Hast du schon Gruppenarbeiten ausprobiert, die dich motivieren können?
- Hast du das Lernen in der Bibliothek ausprobiert, wo dich das arbeitssame Umfeld motivieren kann?
- Wechselst du die Formen ab, wie du den Lernstoff aufnimmst: übers Lesen, Hören, mit Bildern, im Tun?
Werner Stangl betont allerdings auch: „Das Lerntypenkonzept wird maßlos überschätzt.“
Wie motiviere ich mich selbst?
„Sich Ziele setzen - und zwar realistische und eher kurzfristige Ziele. Je weiter ein Ziel in der Zukunft liegt, desto weniger wirkt es. Dabei kommt es darauf an, intrinsisch (von innen, Anm.) motiviert an das Studium heranzugehen, denn ohne Spaß an den Inhalten eines Studiums ist Lernen äußerst mühsam. Und oft auch deshalb erfolglos, weil man ständig das Gefühl hat, etwas zu tun, ohne zu wissen warum“, sagt Werner Stangl.
Wie wähle ich die richtigen Lerninhalte aus, ohne mich zu verzetteln?
„Das ist überhaupt das größte Problem, das StudentInnen angesichts des Stoffumfanges haben. Dazu gibt es im Prinzip nur eines: reduzieren“, rät Werner Stangl.
Es gibt zum Beispiel die 5-Schritte-Methode für die Prüfungsvorbereitung – aus Sicht Stangls „neben Exzerpieren immer noch die beste“ – die vor allem dabei hilft, nicht alles an Literatur durchzulesen, sondern das Wichtige herauszufiltern. Nimmst du beispielsweise ein Fachbuch oder einen Fachartikel zur Hand, gehe in diesen fünf Schritten vor:
- Überblick über die Literatur gewinnen
Lies die Zusammenfassung im Abstract oder im Klappentext, gehe das Inhalts- oder Schlagwortverzeichnis durch, um herauszufinden, worum es geht. - Fragen formulieren
Stelle nun vorab Fragen an den Text, die für dich relevant sind: Wie lässt sich der Inhalt praktisch anwenden? Was sind mögliche Prüfungsfragen, die der Text beantworten kann? Formuliere Überschriften im Text zu Fragen um oder stelle Fragen, für die du den Text bewusst lesen musst:- Welche Argumente hat der Autor, um seine Thesen zu begründen?
- Welchen Thesen widerspricht er?
- Was habe ich Neues durch den Text erfahren – in Ergänzung zu meinem Vorwissen?
- Lesen
Konzentriere dich auf die Teile, die für dein Thema, deine Arbeit, deine Fragen relevant sind. - Selbst wiederholen und Fragen beantworten
Lege nun den Text weg und versuche, die oben genannten Fragen mit eigenen Worten schriftlich zu beantworten. Natürlich kannst du auch gezielt nachlesen und weitere Fragen aufschreiben, an die du vorher noch nicht gedacht hast. - Sich selbst testen
Am Ende des Arbeitstages oder in anderen regelmäßigen Abständen ist es gut, auf den gelernten Stoff zurückzuschauen und die Aufzeichnungen in eine gute Form zu bringen. Deine Notizen sind gleichzeitig die Grundlage für spätere Wiederholungen und für die Vorbereitung auf die Prüfung.
Mit welchen falschen Strategien verschwenden Studenten ihre Zeit?
Stangl hat drei falsche Strategien festgestellt, die beim erfolgreichen Lernen behindern.
#1 Wiederholtes Lesen führt nicht zum Lernerfolg.
Lesen allein reicht nicht zum Lernen. Wiederholtes Lesen führt bloß dazu, dass dir der Text vertraut wird und du ihn fließend lesen kannst. Wer einen Text lernen will, muss mit dem Stoff arbeiten, Probleme damit lösen und anderen darüber berichten. Wenn du liest, kannst du beispielsweise im Anschluss die Abschnitte mit eigenen Worten zusammenfassen. Oder du schreibst dir Lernkarten mit Fragen, die du beantwortest und wiederholst. Oder du notierst wichtige Infos auf Plakaten, deren Inhalt du regelmäßig im Laufe des Tages siehst und wiederholst.
#2 Mit dem Textmarker markieren bringt nichts.
Studien belegen, dass das Markieren und Unterstreichen von Texten den Lernenden nicht weiterbringt. Beim ersten Lesen des Textes solltest du ihn keinesfalls markieren, sondern erst dann, wenn du einzelne, zentrale Begriffe kennst, die du hervorheben möchtest. Besser als Markieren ist, du schreibst dir eigene Notizen am Rand dazu, die dir eine spätere Wiederholung erleichtern.
#3 Perfekt lernen führt nicht zum ERfolg.
Wer gut lernen möchte, braucht auch den bekannten Mut zur Lücke. Bei großen Stoffmengen ist es mit Sicherheit unmöglich, jeden einzelnen Satz genau zu lesen. Wichtiger als Details ist, Zusammenhänge zu verstehen und Inhalte einordnen zu können. So ist es beim Lernen wichtig, nicht nach Perfektion zu streben.