Musik, Suppe und Regenwolken – mein Praktikum im Flüchtlingsheim
Ein Haus mit zehn Burschen, die nach Österreich geflüchtet waren und für die ich mitverantwortlich war … Was würde mich erwarten?
Die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist etwas, das ich schon lange wagen wollte. Naja, zugegeben, meine Ausbildungsstätte erwartete einen Sommerjob im Sozialbereich und in St. Pölten hatte nur diese eine Stelle auf meine Bewerbung "angebissen". Deswegen war die Freude groß, als ich die Zusage erhielt. Ein Monat lang in ein ganz neues Arbeitsfeld eintauchen! Was würde mich erwarten?
Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Erwartungen. Die Betreuung von zehn unbegleiteten Minderjährigen, die nach Österreich geflüchtet waren, wartete auf mich … Würden wohl Gesellschaftsspiele bei ihnen gut ankommen?, fragte ich mich vorab.
Wann regnet es endlich?
Es war ein heißer Sommer, herrliches Wetter und wochenlang nur Sonnenschein. Die Konsequenz daraus war jedoch, dass die Burschen nicht zuhause waren. Sie kühlten sich im Stadtbad ab oder erkundeten Wien. Da saß ich dann und wartete. Ich wartete und wartete … und wartete. Auf einen Regentag! Darauf, dass die Burschen einmal nicht unterwegs waren.
Es regnet!
Ich dürfte es ja fast nicht zugeben, aber diese Arbeit war Entspannungsurlaub pur. Kurzzeitig vergaß ich sogar, dass ich mich noch in Österreich aufhielt, so schwül war es. In Kombination mit den südländischen Köstlichkeiten und der guten Gesellschaft (die Burschen machten gerne viele Witze!) vergingen die Regentage wie im Flug.
Hast du überhaupt was gelernt?
Natürlich ergaben sich auch die einen und anderen Gespräche mit Trauercharakter. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge waren Burschen zwischen 13 und 19 Jahren. Sie hatten Dinge hinter sich, die wir uns gar nicht vorstellen können! Krieg, Angst, Leben am Minimum, die Angst, bei Grenzüberquerungen entdeckt zu werden, und noch viel mehr.
Ich lernte, dass auch nach schwersten Traumatisierungen Menschen dazu im Stande sind, solche Witze zu machen, dass ich fast am Boden liege vor Lachen.
Hart wie Beton oder weich wie Butter
Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit, ist bei keinem Menschen gleich. Der eine erlebt weniger Dramatisches und ist trotzdem schwer traumatisiert. Der andere geht buchstäblich durch die Hölle und hat nach ein paar Jahren Therapie seinen inneren Seelenfrieden wieder gefunden. Ich selbst habe mich gefragt, in welche Gruppe ich mich einordnen würde – tendenziell zur letzteren. Aber wer weiß das schon genau. Resilienz hängt auch vom aktuellen Umfeld ab und ist nie nur ,,Eigenverdienst“.
Ich bin froh, mich getraut zu haben, in eine ganz andere Welt einzutauchen – sofern es regnete natürlich ;-).
Und du? Traust du dich, Flüchtlingen aus anderen Kulturen zu begegnen und über das, was ihnen widerfahren ist, zu sprechen? Natürlich in gemütlicher Atmosphäre und ganz viel leckerem Essen. ; - )