Mit einer Tasse Kaffee über das Leben nachdenken: Katharinas "entscheidBAR"
Katharina liebt es, in einer Kaffeebar zu sitzen und bei einem leckeren Cappuccino über Gott und die Welt zu philosophieren. So kam die Idee zur entscheidBAR, einer Kolumne mit dem Ziel, bei einer Tasse Kaffee eine gute Entscheidung zu treffen. Hier kommt die erste Episode, in der sich Katharina Gedanken zur Nachhaltigkeit macht.
Herzlich Willkommen in meiner entscheidBAR!
Hier geht es um Situationen, in denen zwei oder mehr Optionen zu Wahl stehen. Solche Entscheidungen treffen wir pro Tag durchschnittlich 20.000-mal. Oft ganz nebenbei und ohne großes Nachdenken. Eigentlich nicht der Rede wert. Aber zugleich habe ich das Gefühl, dass sich die Herausforderungen, in denen ich gut abwägen muss, von Tag zu Tag vermehren. Vielleicht kennst Du das auch.
Während meine Oma im Tante-Emma-Laden nur eine Sorte Mehl bekam, kann ich zwischen zig Marken, Körnersorten und sogar Mahlgraden auswählen. Und dann gibt es da noch extra Mehl für Pasta, Pizza, Spätzle, ... (und zu aller Verwirrung wird das deutsche Weizenmehl Type 405 in Österreich als Type 480 verkauft). Naja, eigentlich darf ich mich nicht beschweren. Denn ganz ehrlich, genau wegen der Vielfalt gehe ich ja auch in den größten Supermarkt der Stadt. Auswahl ist doch toll – bis ich vor dem Regal stehe und nicht weiß, was ich nehmen soll. In diesem Moment beneide ich meine Oma!
Barry Schwartz und andere Psychologen (Schwartz, B., The paradox of choice: why more is less, 2004.) haben wissenschaftlich belegt, was ich eigentlich schon lange aus meinem Alltag weiß: Viele Wahlmöglichkeiten machen nicht nur glücklich. Sich ständig entscheiden zu müssen, kann zu Stress, Frustration, lähmender Unentschiedenheit oder gar depressiven Symptomen führen. Ich bin vor allem genervt, wenn ich minutenlang vor einem Regal auf- und abgehe und eigentlich nur ein Päckchen Mehl will. Und doch: Ich kann mich einfach nicht entscheiden!
Die Herausforderung besteht deshalb darin, eine gute Balance zwischen Wahlmöglichkeiten und Entscheidungskompetenz zu finden, nicht nur im Supermarkt.
Aber dort soll meine Kolumne beginnen.
Also, Kaffeemaschine an und los geht’s an der entscheidBAR.
[Falls Du – was ich mir kaum vorstellen kann – keinen Kaffee magst, nimm einen leckeren Tee, einen Saft oder einfach ein Glas Wasser.]
Und jetzt noch einmal gedanklich zurück in den Supermarkt, denn dort muss ich vor einigen Wochen mein „Nachhaltigkeitsbewusstsein“ verloren haben. Wie ich jetzt gerade darauf komme? In meinem Kalender steht noch die Europäische Woche der Nachhaltigkeit. Sie wäre jetzt gewesen. Auch sie wurde – wie so vieles – wegen Corona verschoben (20. bis 26. September 2020). Vielleicht ganz gut, denn so kann ich noch etwas verdrängen, dass ich eigentlich so weit wie möglich auf Plastik verzichten wollte, so jedenfalls mein Entschluss an Aschermittwoch.
Und dann kam Corona. Und ich versuchte stattdessen möglichst wenig Zeit beim Einkaufen zu verbringen, griff deshalb lieber im Kühlregal bei der abgepackten Wurst zu, als mich auch noch in die Schlange an der Theke zu stellen oder gar zusätzlich in eine Metzgerei zu gehen. Und mal ehrlich, wer weiß, was kommt? Sollte ich morgen in Quarantäne müssen, wäre ja etwas Vorrat auch nicht schlecht. Abgepackte Wurst ist da einfach haltbarer. Außerdem handelt es sich ja auch um eine Ausnahme in dieser besonderen Zeit.
Gilt das? Darf man eine Ausnahme machen? Ist das Plastik, das ich jetzt verursache, nicht genauso schlimm wie das, welches vor drei Monaten im Müll landete, Corona hin oder her?
Meine heutige Entscheidungsfrage lautet also:
- Abgepackte oder frische Wurst in der Ausnahme-Zeit?
Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung von Viren und muss mich daher auf den Rat von Experten und meinen gesunden Menschenverstand verlassen. Und deshalb habe ich mir in der Zeit der Kontaktsperre tatsächlich gewünscht, dass sich alle Menschen möglichst kurz im Supermarkt aufhalten, weil so hoffentlich die Gefahr reduziert wird, dass viele mit Corona angesteckt werden ... und das wiederrum hoffen lässt, dass das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht ... und so auch Menschen mit ganz anderen lebensbedrohlichen Krankheiten behandelt werden können. Kurz: Ja, ich könnte mir vorstellen, dass alle abgepackte Wurst in der Ausnahme-Zeit kaufen.
Was soll ich da antworten?
Aktuell erscheint mir die Corona-Pandemie das primäre globale Problem zu sein, aber die Bevölkerung der Zukunft wird definitiv – wenn hoffentlich Corona längst Geschichte ist – von Umweltproblemen bedroht sein. Daher entscheide ich mich dafür, dass jetzt der Lebensschutz Priorität hat. Aber in dem Maß, wie sich die Kontaktbegrenzungen nach und nach lockern, muss auch die Nachhaltigkeit wieder mehr und mehr ins Bewusstsein rücken, bei mir angefangen. Und da wäre die Europäische Woche der Nachhaltigkeit jetzt vielleicht genau zur richtigen Zeit gekommen, finde ich.
Meine Tasse Kaffee ist leer. Zeit, ein Fazit zu ziehen:
Wir treffen Entscheidungen nicht in jeder Lebensphase gleich. In Krisenzeiten können andere Prioritäten gelten. Aber egal in welcher Situation kann der Kant-Jonas-Check bei kleinen Alltagsentscheidungen hilfreich sein.
Deshalb mein Tipp aus der entscheidBAR:
Frage Dich:
- Sollen alle so handeln wie Du?
- Welche Folgen hat Deine Handlung für die, die jetzt oder in der Zukunft weltweit leben?
Deine Katharina