Mein Zeit-Adventkalender: Jetzt bin ich da
Ein Adventkalender mit 24 Karten, die ich jeden Abend mit einem Moment füllen will, in dem ich mir Zeit genommen habe. Einfach mal im Jetzt leben - obwohl das gar nicht einfach ist.
Gerade erstelle ich meinen Weihnachtswunschzettel: eine Tasche, zwei Zeitschriften-Abos, einen Coffee-to-go-Becher ... Wünsche habe ich immer, aber in Wirklichkeit nicht einmal Zeit, sie auf meinen Online-Wunschzettel zu schreiben.
Ich wünsch mir Zeit
Ja, ganz oben auf meinen Wunschzettel müsste eigentlich stehen: ZEIT.
Eindeutig.
Denn Zeit ist in meinem Leben immer knapp. Und Zeitnot fordert ständig Entscheidungen: Wenn ich mich mit Freuden treffe, kann ich nicht das Buch lesen. Wenn ich ordentlich meine Arbeit vorbereite, kann ich nicht meinen Kühlschrank auffüllen. Wenn ich jetzt die Wäsche bügeln würde, könnte ich diesen Text nicht schreiben.
Die Tatsache, dass meine To-Do-Liste immer länger als die real existierende Zeit ist, stresst.
Aber warum eigentlich?
Durch meine Wohnung fährt der Saugroboter, die Spülmaschine läuft und die Waschmaschine befindet sich gerade im Schleudergang.
... also könnte ich eigentlich bei einer Tasse Kaffee entspannt dasitzen und die eingesparte Zeit genießen.
Weit gefehlt.
Sie ist weg.
Hab ich immer weniger Zeit?
Seltsam, trotz ständig ansteigender Zeitersparnis durch technischen Fortschritt haben wir Menschen immer weniger Zeit.
Den Einkaufszettel mache ich nebenbei in einer App. Die Verabredung mit Freunden erfolgt, während ich zur Bahn laufe. Die Freisprechanlage ermöglicht es mir, während der Autofahrt Telefonate zu führen. Der Coffee to go begleitet mich auf meinem Weg durch die Stadt.
Ich bin ein echtes Multitasking-Talent und überlege ständig, was ich noch nebenbei erledigen könnte.
Das Problem ist nur: Mein Gehirn ist eigentlich für die Konzentration auf eine Sache konzipiert. Und man hat längst herausgefunden, dass Multitasking die Leistung allgemein verschlechtert. Ist ja eigentlich logisch, da die Aufmerksamkeit auf mehrere Dinge gleichzeitig verteilt wird. Und genauso hin- und hergerissen fühle ich mich oft.
Einfach nur das machen, was ich gerade mache
„Auf sein jeweiliges Jetzt soll ein Mensch sich gesammelt konzentrieren, und das muss man üben. Jetzt bin ich da.“
- Jürgen Kuhlmann -
„Auf sein jeweiliges Jetzt soll ein Mensch sich gesammelt konzentrieren, und das muß man üben. Jetzt bin ich da.“ schreibt Jürgen Kuhlmann in seinem Text die „Würde des Jetzt“. Wenn das so einfach wäre.
Einfach nur das machen, was ich gerade mache, ohne das Bewusstsein, dass es da noch 100 andere Sachen gibt, die heute noch erledigt werden wollen. Einfach nur im Jetzt sein, da sein, wo ich gerade bin – mit meiner ganzen Aufmerksamkeit.
Mir fällt das nicht leicht. Das muss man wohl wirklich üben.
Fünf Minuten pro Tag
Daher versuche ich seit einiger Zeit jeden Morgen kurz zu meditieren: fünf Minuten einfach nur dasitzen und im Jetzt sein. Das klingt leicht, ist es aber nicht. Oft versuchen meine Gedanken, zu dem, was ich gestern erlebt habe oder dem, was heute ansteht, zu entfliehen. Ein zweisilbiger Begriff – z.B. Hier-sein oder Ich bin – ist dann eine gute Hilfe. Beim Einatmen denke ich eine Silbe, beim Ausatmen die andere – und sonst nichts.
„Jetzt bin ich da!“ steht in diesem Jahr über meinem Adventkalender.
Er besteht aus 24 leeren Karten. Ich will an jedem Abend einen Moment sammeln, in dem ich einfach nur da war: Die 15 Minuten, in denen ich mir nur einen Kaffee gegönnt habe. Das Gespräch mit einem Freund, währenddessen ich keine Nachrichten gecheckt habe. Die 10 Seiten, die ich ohne schlechtes Gewissen in meinem Buch lese.
„Jetzt bin ich da!“ in diesem Advent.