In der Schule wurde ich gemobbt – wird es im Studium anders?
Aus ihrer persönlichen Erfahrung, in der Schule ein Außenseiter zu sein, hat unsere Autorin gelernt. Ein Rückblick auf die Schulzeit, der zu denken gibt.
Mein schwierigstes Schuljahr war eindeutig das vierte. Nicht weil die Leistungsanforderungen so hoch gewesen wären. Sondern weil da offensichtlich wurde, was schon lange spürbar war: dass ich ein Außenseiter war.
In jenem Jahr ist die Sache irgendwie eskaliert. Besonders in Erinnerung ist mir die Klassenfahrt geblieben. Gefühlt ging es die ganze Zeit um Klamotten, Rauchen, Liebesgeschichten – was nun mal gar nicht meine Themen waren. Als die anderen dachten, ich würde es nicht merken, sichteten sie zur allgemeinen Belustigung den Inhalt meines Kleiderschranks. Danach gab es Angebote, mich umzustylen. Und alle machten mit – so kam es mir zumindest vor.
Nach dieser Fahrt wurde alles schlimmer. Jede Pause auf dem Schulhof war ein Spießrutenlauf – und drinbleiben durften wir nicht. Ich erinnere mich an eine Relistunde, in der ich 45 Minuten von hinten mit Papierkügelchen beworfen wurde. Als das hilflose „Jetzt-hört-doch-mal-auf“ des Relilehrers nichts bewirkte, machte er im Stoff weiter und tat so, als würde er nichts von meinem Dauerbeschuss merken. Am Ende der Stunde war um mich herum alles weiß.
Nach einer Geburtstagsfeier bei mir zuhause wurde in der Klasse über unsere Küche hergezogen. In dem Versuch, mich zu verteidigen, bemerkte eine Klassenkameradin, es hätten eben nicht alle Familien so viel Geld. Das sei doch nicht so schlimm. Dieser Kommentar traf mich noch mehr. Geld war gar nicht das Problem. Meine Eltern hatten einfach andere Prioritäten.
Ich wünschte mir einen Schulwechsel
In dieser Zeit flossen viele Tränen. Ein Schulwechsel stand im Raum und mehr als einmal flehte ich meine Eltern an, mich am nächsten Tag nicht in die Schule zu schicken. Sie stärkten mir immer den Rücken, aber auf diese Bitte gingen sie niemals ein. Dafür bin ich heute durchaus dankbar, weil ich inzwischen glaube, dass das das Problem auch nicht unbedingt gelöst hätte.
Ich weiß nicht, was der Grund für die Situation war – und ob es überhaupt einen gab. Vielleicht lag es daran, dass ich sicher lange andere Themen hatte als die meisten Leute in meiner Klasse.
Wenig hilfreich war wohl auch mein starkes Bemühen um gute Noten, aufgrund dessen ich als Streber verschrien war. Vielleicht trug dazu bei, dass ich eher Einzelgänger als Gruppenmensch bin. Mag sein, dass ich da manchmal auch ein bisschen komisch wirkte. Vielleicht hatte das Ganze einfach damit zu tun, dass eine Gruppe sich stärker fühlen kann, wenn sie sich ein gemeinsames Opfer sucht.
Durchhaltevermögen gefragt
In mir förderte die Situation jedenfalls eine „Jetzt-erst-recht-Haltung“ und ziemlich viel Trotz. Aufgeben oder mich anpassen – das kam für mich nicht in Frage. So verlegte ich mich auf´s Durchhalten.
Unschätzbar wertvoll waren dabei Freundschaften außerhalb der Schule. Mein Kreis an Mädels, die sich wie ich in der Schönstattjugend engagierten, und bei dem ich sein durfte, wie ich war. Da hatte ich das Gefühl hatte, groß gesehen zu werden. Da hatten wir Gruppenstunden, in denen Originalität und nicht Anpassung im Mittelpunkt stand. Gebetsmomente, in denen ich erfuhr: „You are precious in my eyes.“
In der Schule selbst tat ich mich mit zwei anderen zusammen, die auch eher am Rand standen. Eine Zweckfreundschaft war das. Gerettet hat mich dann die Oberstufe. Als die ganze Gruppe sich neu zusammensetzte – aus drei Klassen wurde eine Stufe –, krähte nach der Meinung derer, die vorher den Ton angegeben hatten, kein Hahn mehr. Und plötzlich fand auch ich echte Freunde.
Ich hätte Unterstützung von Lehrern gebraucht
Noch heute weiß ich nicht, wie sich solche Dynamiken vermeiden lassen. Ich glaube, was ich damals gebraucht hätte, wäre Unterstützung gewesen – gerade von Lehrerseite. Keine großen Gespräche im Klassenverband, sondern ganz praktisch: durchgreifen. Null Toleranz für Papierkügelchen.
Zugleich merke ich inzwischen selbst manchmal, wie leicht man in die Falle des Über-andere-Herziehens tappen kann. Wo ist die Grenze zwischen „mir Luft verschaffen“ und „einen anderen gemeinsam klein machen“?
Wie viel hängt doch schon an der Frage, worüber man gemeinsam spricht – denn allein dadurch, dass ich etwas zum Thema mache, kann eine Sache großes Gewicht bekommen. Damit lenke ich auch ein Stückweit die Aufmerksamkeit der anderen – plötzlich fragen sich alle: Hat der nicht vorhin schon wieder gemacht, worüber wir gestern erst kritisch sprachen?
Manchmal ist es besser, zu schweigen, glaube ich. Und mir ist bewusst geworden, dass ich schon eine Neigung dazu habe, mich manchmal „neben“ die anderen zu stellen und damit auch ein bisschen selbst zum „Außensteher“ zu machen. Das kann bestimmt irritierend sein. Naja. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt … Ich arbeite daran.
Dieser Text ist von einer anonymen Autorin in der Zeitschrift moment. leben ist mehr erschienen.
Möchtest du die Zeitschrift abonnieren oder ein Probe-Exemplar bekommen? Schreib an moment@sonnenau.de.