Glauben trotz allem
Vor ein paar Tagen habe ich mit einer Freundin, die selber eine chronische Erkrankung hat, über ihre Beziehung zu Gott gesprochen. Sie sagte mir, sie könne jetzt nicht mehr an den Gott ihrer Kindheit glauben. Für sie sei Schmerz und Leiden nur absurd. Das kann ich gut verstehen, aber nicht nachvollziehen, wenn ich an meine eigene Beziehung zu Gott denke. Aber auch wenn es mir manchmal schwer fällt, trotz allem zu glauben, gehe ich den Weg meiner Krankheit mit Gott und weiß, dass er mich nicht alleine lässt.
Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen. Sonntags gingen wir immer gemeinsam in die Kirche und beteten am Abend gemeinsam. Für mich war das normal. Ich stellte mir nicht so viele Fragen. Es war einfach so.
Doch als ich plötzlich mit 15 krank wurde, fiel es mir viel schwerer, zu glauben, dass Gott wirklich in meinem Leben anwesend war. Ich zweifelte nie an seiner Existenz, aber er schien mir abwesend zu sein. Wie kann Gott erlauben, dass ich plötzlich krank werde? Das gehörte natürlich nicht zu meinem Plan eines idealen Lebens. Wie könnte Gott erlauben, dass meine Krankheit mein ganzes Leben so zerstören lässt?
Man sagte mir, ich hätte entschieden, weiterzuglauben, weil es einfacher war, weil es eine Unterstützung war. Sicherlich ist es eine Hilfe – das ist mir schon bewusst -, aber es nicht einfacher. Es stellen sich zu viele Fragen, wenn man krank wird.
Bis heute ist es mir noch ein Geheimnis, wie Gott erlauben kann, dass so viele Menschen leiden oder krank werden, wenn sie nichts dafür können. Ich kann glauben, dass Gott den Menschen die Freiheit lässt und dass diese Freiheit, auch zu Leiden führen kann.
Ich kann aber nicht glauben, wie ich das gelesen oder gehört habe, dass Krankheit eine Strafe Gottes ist. Wie kann man in einem Gott glauben, der Liebe ist, und gleichzeitig sagen, dass er Menschen straft? Wie können Christen sagen, dass Gott etwas Böses will? Wie kann man sagen das ein sieben-jähriges Kind, das unter Krebs leidet, von Gott gestraft wird? Wie ist das möglich?
Trotz allem glaube ich, dass Gott in meinem Leben ist. Ich spüre ihn vielleicht nicht immer. Ich zweifle manchmal. Aber ich glaube schon, dass er mit mir in meiner Krankheit geht. Glauben ergibt Sinn, wo ich sonst keinen finden kann. Schmerzen und Leiden sind per se fruchtlos und absurd. Ich bin aber überzeugt, dass Gottes Liebe Gutes in diesem Bösen schafft. Weiter an Gott zu glauben ist für mich die Weise, weiterhin offen und verständnisvoll gegenüber andere Menschen zu sein.
So versuche ich trotz allem die Beziehung zu Gott weiterzubehalten:
1. Beten, auch wenn ich wieder ganz schwach bin
Ehrlich gesagt fällt mir dies manchmal noch sehr schwer. Aber ein Gebet, wenn es mir nicht gut geht, kann so einfach sein wie einen schönen Sonnenaufgang voller Dankbarkeit anschauen, ein paar Minuten tief ein- und ausatmen, während ich an Gottes Liebe oder an die schönen Ereignissen meines Tages denke. Ich denke nicht, dass Beten unbedingt gleich ein Gebet auf den Knien für 20 Minuten sein muss. In die Messe gehen oder sie im Radio hören, wenn ich an dem Sonntag zu müde bin, hilft mir auch sehr. Ich habe immer wieder Phasen gehabt, wo ich überhaupt nicht in der Messe war, weil ich zu erschöpft war oder aus Müdigkeit keine Lust darauf hatte. Aber ich habe gemerkt, dass es mir doch sehr hilft, die Beziehung zu Gott zu pflegen. Wenn ich für ein paar Tagen zu müde war, um zu beten, ist die Messe eine gute Gelegenheit, die Verbindung wieder herzustellen.
2. Auf Gott vertrauen
Auch wenn ich daran zweifle, dass Gott wirklich da ist, erinnere ich mich immer wieder an Momente, in denen ich nicht gezweifelt habe, wo ich mir sicher war, dass er wirklich da ist. Das ist ja eine Glaubenssache: ich werde nie beweisen können, dass er wirklich da ist. Aber ich entscheide zu glauben, weil ich gespürt habe, dass Gott mit mir in meinem Leben geht oder fährt, wenn ich im Rollstuhl sitze.