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Abenteuer Leben. Studium. Beruf. © Sarah Staber & Stephanie Briegl / MEINPLAN.at

Freundschaften in Zeiten der Pandemie

Oder wieso das, was Freundschaft so schön macht, genau jetzt zu einem Problem wird. Genau jetzt ist es an der Zeit, unsere Freundinnen und Freunde, unsere Kolleginnen und Kollegen wissen zu lassen, dass wir an sie denken.

Fernbeziehungen sind nichts für mich. Zumindest habe ich das immer gedacht und hatte auch noch nicht die Gelegenheit, das auszutesten. Bis Corona kam. Denn jetzt komme ich nicht umhin. Das tut keiner von uns. Ob wir es wollen oder nicht, wir alle sind nun gezwungen, die eine oder andere Fernbeziehung zu führen.

 

Dieser erleuchtende Gedanke kam mir, als ich neulich über das Leben nachsinnend im Bett lag und überlegte, was mein „Projekt“ für diesen zweiten Lockdown sein könnte. Das Bananenbrot-Backen habe ich schon gemeistert und auch in Homeworkouts verdiene ich, jetzt mal ganz bescheiden gesagt, eine Goldmedaille. So nachsinnend kam ich zu dem Schluss, dass es doch vielleicht ganz gut wäre, an meinen Skills in Sachen Fernbeziehung zu arbeiten.

 

Wie ich darauf komme? Lasst mich elaborieren.

 

Wie definieren wir Freundschaft 

Ein neuer Lockdown. Das gleiche Spiel nochmal. Soziale Kontakte zu meiden ist nun (wieder) das Motto, nach dem wir leben. Auch wenn wir das Gleiche schonmal durchlebt haben und wir keine Lockdown-Neulinge mehr sind, lässt uns die Situation doch immer wieder neue Seiten von uns entdecken. In dieser merkwürdigen Zeit habe ich mich zum Beispiel mehrmals dabei ertappt, wie ich nostalgisch an die Begegnungen mit der einen Person zurückdachte, die ich täglich beim Pendeln getroffen habe, oder die kurzen Wortwechsel mit der einen Studienkollegin, mit der ich eigentlich nicht viel am Hut habe. Ja es scheint fast so, als würde ich Menschen vermissen, von denen ich nie gedacht hätte, sie je zu vermissen. Menschen, die ich nicht mal in die Kategorie meiner Freunde einordnen würde.

 

So bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass diese „Kategorisierung“ meiner Freunde totaler Unsinn ist. 

 

Freundschaften kann man eben nicht so definieren. Aber genau darin liegt das Problem. 

 
Sogar unsere Bundesregierung definiert das Treffen des Partners oder der Partnerin als lebensnotwendig, von Freundschaften hingegen ist nirgendwo die Rede.
 
 

Die (nicht ganz so) unbeschwerte Natur der Freundschaft 

Weil es eben so schwierig ist, Freundschaft zu definieren, scheint sie in unserer Gesellschaft im Vergleich zu anderen Beziehungen eine so geringe Rolle zu spielen. Dabei sind richtige langjährige Freundschaften unter Umständen doch viel tiefer, viel loyaler, viel beständiger als eine Beziehung, oder etwa nicht? Ich selbst habe Freunde, die für mich fast schon Familie sind. Ich brauche meine Freunde.

 

Gleichzeitig habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass sich einige meiner Freundschaften aufgelöst haben. Man lebt sich manchmal einfach auseinander. Freundschaften sind so natürlich, so unkompliziert. Sie entstehen so natürlich und können sich auch so natürlich wieder auflösen. Das Leben führt Freunde zusammen und auch wieder auseinander.

 

Und eigentlich ist ja diese unbeschwerte Natur der Freundschaft etwas Tolles. Bis sie es nicht mehr ist. Denn was passiert mit Freundschaften, wenn die Welt von einer Pandemie überfallen wird?

 

Man trifft seine Kollegen und Freunde nicht mehr, man hat keine zufälligen Gespräche mehr in der Kaffeepause … Und plötzlich sind diese Momente, die uns nie wichtig erschienen sind, genau jene, nach denen wir uns am meisten sehnen.

 

 
Aber so plötzlich aus dem Nichts diese Kollegin anzuschreiben, die man nur in der Arbeit trifft, oder diese Freundin anzurufen, mit der man eigentlich nur ab und zu in der Uni was zu tun hat, scheint uns merkwürdig.
 
 

Und so tauchen auf einmal diese Gedanken der Einsamkeit auf. Weil Freundschaften, soziale Kontakte, Beziehungen immer so unbeschwert, so natürlich waren, jetzt aber so unsicher werden. Denn mehr und mehr kommen die Gedanken: „Haben mich meine Kollegen, meine Freunde vergessen? Sind sie sauer auf mich? Oder waren es vielleicht nie richtige Freunde?“

 

"Fernfreundschaften" - the new normal 

Studien beweisen, dass vor allem junge Menschen jetzt verstärkt an Einsamkeit leiden. Der Grund dafür ist genau das: die unbeschwerte Natur der Freundschaft wird auf einmal doch beschwert. Wir sind es nicht gewohnt, für Freundschaften „arbeiten“ und uns um Freunde „bemühen“ zu müssen.

 

Ganz anders ist das bei romantischen Beziehungen: Jeder weiß, an Beziehungen muss man arbeiten. In Beziehungen muss man Zeit investieren. Und bei Fernbeziehungen ist es nochmal schwieriger. Das ist beiden Seiten klar. Um eine funktionierende Fernbeziehung zu führen, ist man gewillt dafür zu arbeiten. Und genau das ist es, was wir alle lernen müssen. Wir alle befinden uns momentan in Fernbeziehungen- in „Fernfreundschaften“. Und an denen müssen wir auch arbeiten, um sie aufrecht zu erhalten.  

 

 
Es ist an der Zeit sich die Frage zu stellen: Wer sind diese Menschen, von denen ich erwarte, dass sie sich bei mir melden? Anstatt darüber nachzudenken, warum wir schon so lange nicht von einer Person gehört haben, sollten wir erkennen, dass die Chancen hochstehen, dass diese Person genau dasselbe denkt.
 
 

Wir alle befinden uns gerade in sehr ähnlichen Situationen. Wir alle haben gerade weniger Nähe als wir gerne hätten. Wir alle wünschen uns mehr Intimität.  

 

Wir sind nicht gut in Fernfreundschaften

Fernfreundschaften zu führen ist eben nicht etwas, in dem wir alle gut sind. Aber sind wir denn alle begabte Meisterbäcker? Ich glaube nicht. Und hat uns das etwa davon abgehalten, Bananenbrote zu backen? Nein!

 

Genau jetzt ist es an der Zeit, unsere Freundinnen und Freunde, unsere Kolleginnen und Kollegen wissen zu lassen, dass wir an sie denken. Den Kontakt aufrecht zu halten. Nähe auf Distanz zu schaffen, wo es nur geht.  

 

Keiner von uns weiß, wie lange die Situation noch weitergehen wird. Aber eins ist klar: wir Menschen brauchen Nähe. Und dieses Gefühl der Nähe müssen wir uns momentan selbst konstruieren, so gut es geht. Wir müssen Wege finden, wie wir trotz der Distanz, Nähe spüren und vermitteln können. Das braucht jeder von uns.

 

Also hören wir auf, Bananenbrot zu backen wie die Verrückten, und beginnen wir Nähe zu schaffen wie die Verrückten.

 

Schreiben wir diesen Kollegen und Kolleginnen, an die wir manchmal denken. Rufen wir die Freunde an, die uns manchmal fehlen. Machen wir uns die Welt ein Stückchen schöner. Anderen eine Freude zu machen, bringt uns selbst die größte Freude. Und in dem Fall ist Egoismus meiner Meinung nach erlaubt. Also falls jemand fragt, blame it on me.

 

Zofia Wegrzecka

Eine Weltbürgerin auf permanenter Suche nach den schönsten Dingen dieser Welt, aktuell das Auf und Ab ihrer 20er genießend- die Poetin in mir würde sich wohl so beschreiben. Weil ich in Polen geboren, in Deutschland und Österreich aufgewachsen, nirgendwo so richtig aber irgendwie doch überall ein bisschen daheim bin. Erklärt vielleicht auch, wieso das Reisen zu meinen Leidenschaften zählt. Gleich danach kommen das Nachsinnen und Philosophieren über Gott und die Welt. Weil ich meine Freunde aber auch nicht ewig vollquatschen kann und mein Kopf manchmal schon zu überquellen droht, habe ich einfach ab und zu den Drang, das Ventil aufzudrehen und meine Gedanken rauszulassen. Auf Papier (oder eher auf Word). Warum ich für MEINPLAN schreibe? Zugegeben, vielleicht spricht da eine kleine Narzissistin aus mir heraus, aber ich glaube, dass mein Gedanken-Wirrwarr vielleicht doch für andere ganz hilfreich und wenn nicht das, dann zumindest interessant sein könnten.

 

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