Ein Ort, wo ich einfach reden kann
Einfach da sein und zuhören, so beschreiben die Seelsorger Notburga und Wolfgang ihre Aufgabe in der Gesprächsinsel Wien. Ein Ort, an den auch junge Erwachsene kostenlos kommen können, um zu reden.
„Wenn ich mit etwas, das in meinem Leben passiert, überfordert bin, wenn ich verzweifelt bin - dann brauche ich jemanden, mit dem ich reden kann. Der mir einfach zuhört. Weil das alles einen Raum braucht, weil das alles sein darf. Einen Raum für mich.“ Diesen Raum findet Studentin Sylvia* (Name geändert) in der Gesprächsinsel im Zentrum Wiens. Dort kann sie einfach hinkommen und reden – anonym, vertraulich und kostenlos.
„Besucher kommen bei uns einfach vorbei. Man muss sich definitiv nicht anmelden“, erklärt Wolfgang, einer der rund 40 ehrenamtlichen Seelsorger, die für die Besucher der Gesprächsinsel da sind. „Wir garantieren, dass wir zuhören.“
Die Menschen kommen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen. „Es kommen Menschen, die in Krisen sind, welche, die einfach reden wollen oder Menschen mit einer gezielten Frage – es gibt nichts, das nicht denkmöglich ist. Dahinter steckt ein Bedürfnis nach einem Gespräch, nach einer Kontaktaufnahme, nach Ansprechen eines Themas“, erzählt Wolfgang.
Einfach reden – egal worüber
Besucher kommen zum Beispiel von der Hauptuni, die nicht weit entfernt ist. „Da kommen junge Menschen, die sind gerade nach Wien gezogen, kennen niemanden und sind einsam. Oder es geht um Prüfungsangst, Partnerschaft oder Freundschaften, die in die Brüche gehen. Die Themen sind breit gefächert“, sagt Wolfgang.
Im Gespräch geht nicht darum, Ratschläge oder Vorschläge zu geben.
Wichtig ist: Im Gespräch geht es den Seelsorgern nicht darum, Ratschläge oder Vorschläge zu geben. Stattdessen geht es ums gemeinsame Suchen. „Wertschätzend zuhören, einen Punkt herausgreifen, vertiefen und anschauen. Meist sind die Besucher so voll, dass man sortieren helfen darf, was der wichtigste Punkt ist. Die allermeisten Besucher suchen Klarheit, wollen Druck ablassen“, beschreibt Seelsorgerin Notburga, die sich seit sechs Jahren für die Gesprächsinsel freiwillig engagiert, ihre Erfahrung. „Es ist erstaunlich, dass die Menschen gelöster sind, weil sie selbst gefunden haben, was in ihnen steckt. Im Gespräch helfen wir einfach, das zu suchen."
"Manchmal fühl ich mich mit allem allein"
Sylvia ist eine der jungen Erwachsenen, die zur Gesprächsinsel kommt, wenn ihr alles zu viel wird: „Manchmal fühle ich mich allein mit all den Anforderungen und Erwartungen und weiß gar nicht, wie ich sie angehen, geschweige denn bewältigen kann. Dann hilft mir das Gespräch mit einer Person, weil ich einen oder mehrere neue Blickwinkel bekomme und neue Möglichkeiten finde. So kann ich Dinge, die mich beschäftigen, aus einer gewissen Distanz betrachten und dabei erkennen, was ich eigentlich für mich brauche, was mir guttut. Es tut gut, dass ich diesen Raum habe, wo ich sein darf.“
Einfach mal alles loslassen – eine gute Erfahrung, die sich nach außen zeigt. Seelsorgerin Notburga meint: „Das gibt’s immer wieder – dass ich merke, dass sich Ausdruck und Körperhaltung im Laufe des Gesprächs verändern, dass das Gesicht heller wird. Die allermeisten sind dankbar, wenn sie gehen und fragen, ob sie wiederkommen dürfen, wenn‘s mal drückt. Es kommt nie vor, dass jemand sagt, er fühle sich überhaupt nicht verstanden.“
Gott darf einen Platz haben
Zu einem Gespräch darf jeder kommen, ganz egal, was er glaubt. „Wir versuchen, niemanden zu missionieren. Wir hören zu“, macht Wolfgang deutlich. „Was sehr wohl bekannt ist, ist, dass wir alle überzeugte Christen sind. Ich empfinde es als Segen, dass wir auch die Dimension Gott in einem Gespräch einbringen können. Wenn wir beim Gegenüber merken, dass da Interesse am Glauben besteht, können wir das einbringen. Das erleichtert unglaublich.“
Sylvia fasst ihre Erfahrungen zusammen:
„Im Gespräch mit jemand anderen mehr zu sich finden, eigene Bedürfnisse wahrnehmen und schätzen lernen.
Egal, was mich belastet – tiefe Ängste und Unsicherheiten oder Überforderung im (Uni-)Alltag –
jemand ist da, der mir hilft, mit all dem einen Umgang zu finden.
Jemand ist da, mit dem ich über alles reden kann.
Jemand ist da, der mir zuhört.
Jemand ist da.“