Bin ich frei, zu leben wie ich will?
Kann ich mein Leben frei gestalten? Habe ich echte Wahl oder ist mein Leben fremdbestimmt? Emanuela hat den Philosophie-Talk im Café Caspar zusammengefasst.
Schlechte Nachricht für alle vermeintlich selbstbestimmten Menschen da draußen: Wir sind nicht frei! Wurdest du gefragt, ob du geboren werden willst? Ob du überhaupt leben willst? Konntest du dir deine Nationalität aussuchen? Die Familie, in die du hinein geboren wurdest? Wurde dir am Anfang deines Lebens ein Katalog zum Auswählen deiner Persönlichkeit, deiner Stärken und Schwächen vorgelegt? NEIN!
Andererseits: Gerade in unserer westlichen Gesellschaft kannst du dein Leben sehr frei und individuell gestalten. Trotzdem machen Menschen die Erfahrung, dass sie nicht das Leben leben, dass sie eigentlich wollen.
Kann ich mein Leben frei gestalten?
In vielen Köpfen existiert die Vorstellung, Freiheit sei tun und lassen zu können, was immer man will und wozu man gerade Bock habe. Doch warum entscheiden sich dann so viele Menschen für Dinge, die sie in Wahrheit nicht frei machen sondern im Gegenteil, sie gefangen nehmen?
Das können klassische Suchtmittel wie Alkohol, Zigaretten, Internet etc. sein, aber auch subtilere Sachen wie das Bedürfnis, z.B. immer das neuste technische Gerät zu besitzen oder alle paar Wochen shoppen zu gehen und sich eventuell dafür in Schulden zu stürzen.
Das können Beziehungen sein, von denen ich weiß, dass sie mir nicht gut tun, wo ich es aber nicht schaffe, mich von ihnen zu lösen. Gründe dafür sind oft Ängste, z.B. die Angst vor dem Alleinsein oder der Verlust von Sicherheit, die mir diese Beziehung gibt.
Es gibt z.B. das Phänomen, dass Frauen mit gewalttätigen Partnern es oft nicht schaffen, sich komplett von ihnen zu trennen und immer und immer wieder zu den Männern zurückkommen, obwohl ihnen andere Möglichkeiten offenstehen.
Ich kenne keinen Menschen in meinem Bekanntenkreis, der nicht schon mit der einen oder anderen kleinen Unfreiheit zu kämpfen hatte.
Was hat Freiheit mit Entscheidung zu tun?
Jeder Tag verlangt Entscheidungen von mir: Will ich zum Frühstück lieber ein Müsli oder ein Marmeladenbrot essen? Ziehe ich das schwarze oder das blaue T-Shirt an? Ich sehe auch, dass wenn ich zu etwas „Ja“ sage, ich die anderen Möglichkeiten automatisch mit „Nein“ beantworte.
Freiheit: geistig oder materiell?
Diese Überschrift hört sich komplizierter an als sie ist. Der Punkt ist, dass Freiheit nichts Materielles ist. Oft geben Menschen ihren Lebensumständen die Schuld an ihrer Unfreiheit und meinen, sie müssen diese ändern, um mehr Selbstbestimmtheit zu erlangen. Bis zu einem gewissen Teil ist das auch wichtig und richtig, z.B. im Fall von Beziehungen, die mir schaden oder dem Beispiel mit den gewalttätigen Partnerschaften.
Es ist mir aber nicht möglich, meine Familie zu wechseln, meine Kinder wegzugeben oder mir zu wünschen, in einem anderen Land und unter anderen Umständen aufgewachsen zu sein. Es ist mir nicht möglich, meine Vergangenheit zu ändern. Von diesen Dingen ist Freiheit nicht abhängig. Freiheit hat mehr mit einer inneren Haltung zu tun: dass ich im Letzten mir selber gehöre und niemandem sonst, dass ich nicht abhängig bin von Meinungen anderer und auch nicht emotional abhängig bin von Menschen, dass ich zu mir und meinem Wesen stehe und dass ich mir selbst treu bleibe.
Vorbilder in Sachen innere Freiheit
Es ist eine Art der Freiheit, wie das Ehepaar Moltke sie hatte. Beide im nationalsozialistischen Widerstand tätig, wurde Helmut Moltke 1943 von den Nazis verhaftet und 1945 schließlich hingerichtet. In einem ihrer unzähligen Briefe aus den Jahren der Gefangenschaft schreibt Freya Moltke an ihren Mann: „Sei getrost, uns kann nichts geschehen. Außer dem Leben können sie Dir ja nichts nehmen.“ Eine unglaubliche innere Freiheit spricht aus diesen Zeilen, eine Freiheit, die weit über die äußeren Umstände hinausgeht.
Aus der Haltung der Freiheit heraus kann ich eigentlich auch erst wahrhaftig lieben. Die Freiheit ist die Voraussetzung für die Liebe. Mehr dazu schreibe ich in meinem Blog „Freiheit in Bindung?“ wo ich der Frage nachgehe, ob Beziehungen mir meine Freiheit nehmen oder mich freier sein lassen.
Eure Emanuela