„Ich bin froh, die Corona-Zeit in Österreich zu verbringen“ – Interview über die Lage in Peru
Komplette Ausgangssperren, strenge Regeln und noch strengere Strafen. Während wir unsere Maßnahmen lockern, werden sie in anderen Ländern weiter verschärft. Meine Mitbewohnerin hat mir erzählt, was sich in ihrer Heimat Peru abspielt und warum sie froh ist, hier in Österreich zu sein.
Meine peruanische Mitbewohnerin war sehr aufgeregt, als sie am Anfang der Ausgangsbeschränkung das Haus verlassen wollte. „Was soll ich der Polizei sagen, wenn sie mich fragen, wieso ich draußen bin?“ Ich habe sie beruhigt und gesagt, dass wir raus gehen dürfen! Sie ging ja immerhin Lebensmittel kaufen und selbst wenn nicht – wir sind keine Gefangenen. Wir müssen lediglich den Sicherheitsabstand zu anderen Menschen einhalten.
Ich habe ihre Panik zuerst nicht verstanden, bis sie mir erzählt hat, wie es ihrer Familie in Peru geht. Dort sehen die Regeln etwas anders aus.
Spazieren verboten
Wer in Peru keine ausdrückliche Genehmigung hat, trotz der Quarantäne weiter zu arbeiten, darf nur aus drei Gründen das Haus verlassen.
- Lebensmittel oder Medikamente kaufen
- Zur Bank gehen
- Mit dem Hund spazieren gehen
Ansonsten ist Rausgehen verboten! Frische Luft schnappen, wie es bei uns erlaubt ist, gibt’s nicht. Die Polizei kontrolliert, ob man sich an die Regeln hält. Sehen sie dich auf der Straße, musst du deinen Ausweis zeigen, auf dem deine Adresse vermerkt ist. Bist du in der Nähe deines Wohnsitzes und aus einem der oben genannten Gründe unterwegs, ist es ok.
Im Gegensatz zu Österreich herrscht zusätzlich zum Mindestabstand auch auf der Straße strikte Maskenpflicht. Wer ohne erwischt wird, muss mit einer Geldstrafe rechnen.
Supermarkt Dates
Im Vergleich zu Ländern wie Peru, leben wir im Freiheits-Luxus. Wollen wir unsere Freunde sehen, können wir sie prinzipiell treffen, solange wir uns nicht berühren und genügend Abstand halten. Trotzdem verzichtet der Großteil von uns Österreichern auf dieses Privileg. In Peru gibt es solch ein Privileg erst gar nicht.
Meine Mitbewohnerin erzählt, dass manche ihrer Freunde sich ausmachen, wann sie zu welchem Supermarkt einkaufen gehen. So können sie sich „zufällig“ begegnen und sich kurz unterhalten.
Ausgangssperren
Nachts gibt es eine totale Ausgangssperre. In manchen Teilen des Landes beginnt sie um 18 Uhr, in anderen um 20 Uhr. Von da an darf sich bis zum nächsten Morgen ausnahmslos niemand draußen befinden. Das Militär patrouilliert und gibt acht, dass sich alle daranhalten. Wirst du beim Verstoß dieser Maßnahme erwischt, wirst du verhaftet. So wurde z.B. ein Mann umstellt und mitgenommen, weil er nach Beginn der Ausganssperre den Müll rausgebracht hat.
Die Regelung fällt so streng aus, weil Peru nicht annähernd die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten hat, wie wir sie in Europa haben. Für ihre 32 Millionen Einwohner haben sie insgesamt nur 500 Intensivbetten. Außerdem hält sich die Bevölkerung nicht so diszipliniert an die Regeln, wie es bei uns der Fall ist.
Verschärfung der Maßnahmen
Um den Personenverkehr um weitere 50% zu verringern, wurde am 2. April eine zusätzliche Maßnahme verkündet. Frauen sollte es nur noch dienstags, donnerstags und samstags erlaubt sein, ihre Erledigungen zu tätigen und Männern montags, mittwochs und freitags. Sonntag würde für alle striktes Ausgangsverbot herrschen.
Die Bevölkerung hielt sich jedoch nicht an diese Maßnahme, weswegen sie nach wenigen Tagen außer Kraft gesetzt wurde. Als Grund für das Versagen dieser Regelung nennt meine Mitbewohnerin den dort herrschenden „Machismo“. Der Duden definiert dieses Wort als „übersteigertes Gefühl männlicher Überlegenheit und Vitalität“.
Meine Mitbewohnerin erklärt, dass die meisten peruanische Frauen es als ihre Aufgabe ansehen, sich um ihren Mann zu kümmern. Darum waren viele von ihnen auch an den für Männer vorgesehenen Ausgangstagen einkaufen. Zudem waren die Supermärkte an den Frauentagen überfüllt, was die Einhaltung des Mindestabstandes erschwerte.
Am 8. April wurde daher eine andere Regelung eingeführt, um den Personenverkehr zu verringern. Pro Haushalt darf nur noch eine Person pro Woche das Haus verlassen. Somit dürfen sich Personen im öffentlichen Raum ausschließlich alleine aufhalten. Selbst mit dem eigenen Kind das Haus zu verlassen, ist verboten und wird mit einer Geldstrafe geahndet. Zudem wurde die Quarantäne bis 26. April verlängert.
„Den Peruanern scheint der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein“
Seit einem Jahr ist sie nun in Österreich und erlebt den enormen Unterschied zwischen diesen beiden Welten. Besonders die Art und Weise, wie die Bevölkerung Perus im Vergleich zu unserer mit der Krise umgeht, ist für sie erstaunlich. Während die Österreicher sich an die vorgegebenen Maßnahmen halten, muss die Quarantäne in Peru weiter verlängert und die Maßnahmen weiter verschärft werden, weil der Großteil der Peruaner sie nicht befolgt.
„Ich bin froh, die Quarantäne in Österreich zu verbringen.“ Dennoch macht sie sich Sorgen um ihre Familie, die schon seit Wochen zu Hause festsitzt. „Ich finde es unfair, dass sie die Konsequenzen tragen müssen, die andere mit ihrem Verhalten verursachen. Den Peruanern scheint der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein.“ Umso weniger sich die Bevölkerung an die Maßnahmen halten, umso länger wird die Quarantäne dauern und das heißt auch für ihre Familie, weiterhin in der Wohnung eingesperrt zu sein.