100 km zu Fuß – 5 Lektionen, um ins Ziel zu kommen
Beim Mammutmarsch hat Angelika die schrägsten Phasen durchgemacht, "von Trauer über Wut bis hin zur totalen Verrücktheit, in der ich laut zu singen begann oder wild vor mich her schimpfte, um mich irgendwie von den Schmerzen in den Füßen abzulenken." Wie sie es ins Ziel geschafft hat und welche Lektionen sie für zukünftige Märsche gelernt hat.
Du fragst dich vielleicht, was zum Henker ein Mammutmarsch ist. Hier versuchen ein paar Verrückte 100 km in unter 24 Stunden zurückzulegen, zu fuß. Es war die Österreich Prämiere, denn bis jetzt gab‘s den Mammutmarsch nur in Deutschland. Weils so schön war, ist für September ein Little Mammut in Wien bis zu 55 km geplant. Näheres dazu findest du am Ende des Beitrags.
Startgeld waren 55 €, womit für Verpflegung gesorgt wurde und für alle, die es ins Ziel geschafft haben, gab es Medaillen und Urkunden. Entlang der Strecke waren vier Versorgungsstationen mit Essen, Trinken und Toiletten, sowie einige Rettungsposten mit Sanitätern. Zusätzlich gab es auch Ausstiegspunke und Shuttels, die einen zum nächsten Bahnhof bringen. Die Route begann in Tulln, führte entlang der Donau nach Stockerau und weiter nach Wien. Danach ging’s durch den Wienerwald zurück nach Tulln.
Ganz spontan habe ich mich 1 ½ Wochen vor Start zum Mammutmarsch angemeldet. Meine einzige Vorbereitung war ein kleiner Testmarsch über 25 km und da dieser kein Problem war, konnte am großen Tag nichts schief gehen – dachte ich zumindest.
Von Blasenvermeidung hatte ich genauso wenig Ahnung, wie von der passenden Wanderausrüstung. Zum Glück habe ich mich aber in der offiziellen Facebookgruppe zum Event umgeschaut. Dank der Beiträge dort war mein Gepäck fast optimal und bestand aus
- Taschenlampe & Stirntaschenlampe
- Blasenpflaster & Anti-Blasen-Stick
- Verbandszeug
- 3 Akkubanks
- Energieriegel & Traubenzucker
- Regencape
- Haube
- 2 Flaschen Wasser
- Reservesocken
- zweites paar Laufschuhe
Nun kommen wir zu den Lektionen, die ich unterwegs gelernt habe.
Lektion Nr. 1: Schuhe & Socken wechseln und trocknen lassen, um Blasen zu vermeiden
Ich hatte keine Ahnung, wofür ich zusätzliche Schuhe brauche. Nachdem ich das „überflüssige Gepäck“ anfangs bereute, war ich später heil froh, denn wie schon gesagt, hatte ich keine Ahnung von Blasenvermeidung. Die kommen dann, wenn die Füße verschwitzt sind und es irgendwo reibt.
Nach 40 km habe ich das erste Mal Socken und Schuhe gewechselt. Man kann zusätzlich die Füße mit Hirschtalg oder einem Anti-Blasen-Stick einschmieren. Ich hatte so einen Stick mit, aber leider keine Ahnung, dass er zur Vorsorge und nicht zur Nachsorge gedacht ist.
Lektion Nr. 2: Wenn Schmerzen auftreten – gleich verarzten
Was mir auch nicht klar war: Wenn es irgendwo brennt, sollte man schleunigst ein Blasenpflaster aufkleben! Da ein Brennen auf den Füßen beim Marschieren unvermeidbar ist, dachte ich, dies gilt auch für vereinzelte Stellen. Ich hätte meine Schmerzen reduzieren können, wenn ich gleich reagiert hätte.
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Auch wenn es anfangs noch erträglich war, hielt ich es irgendwann nicht mehr aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine so große Blase, dass Abkleben unmöglich war und ich die Zähne zusammenbeißen musste.
Bei solch einem Marsch können aber nicht alle Schmerzen gelindert werden. Deine Fußsohlen werden brennen wie Feuer! Hier hilft einzig und allein Ablenkung, denn wie bei einem Marathon, musst du mit dem Kopf weitermarschieren. Wenn du jemanden hast, mit dem du dich unterhalten kannst, lenkt das vom Schmerz ab und die Zeit vergeht viel schneller. Irgendwann ist aber der Punkt erreicht, an dem du keine Kraft zum Reden hast. Hier hilft Musik oder ein Hörbuch.
Lektion Nr. 3: Kontrolliere deine Ausrüstung
Ich war mit drei Akkubanks auf viele Stunden voller Ablenkung vorbereitet. Der Schock war dementsprechend groß, als ich dann ein defektes Ladekabel vorfand. Egal ob das Kabel immer funktioniert hat und man noch nie Probleme gehabt hat, man sollte wirklich ALLES kontrollieren! Ich habe mein Handy für die Navigation der Route gebraucht und musste kämpfen, dass der Akku bis zum Schluss hält. An Musikhören war da nicht zu denken!
Lektion Nr. 4: Gemeinschaft ist alles
Zum Glück habe ich eine sehr nette Gruppe gefunden, mit der ich gemeinsam marschiert bin. Ohne diese Gemeinschaft wäre ich spätestens nach 40 km ausgestiegen. Als ich beim dritten Versorgungspunkt verkündete, dass ich gerne aussteigen würde, bekam ich ein „Nein, aufgegeben wird nicht“ als Antwort, dass ich ohne Widerrede akzeptierte. Ich bin unendlich dankbar, dass ich Menschen um mich hatte, die mich nicht aufgeben ließen. Dass ich Wahnsinnige diesen Marsch ursprünglich allein bestreiten wollte, kann ich im Nachhinein kaum glauben.
Lektion Nr. 5: Genügend Wasser
Nun komme ich zum letzten Problem, das mit Abstand das größte war, nämlich Wassermangel! Gestartet bin ich mit 2 Litern, die ich unnötig herumschleppte, denn ich brauchte zu Beginn kaum Flüssigkeit. Bei der dritten Versorgungsstation befüllte ich dann nur eine Flasche. Bald waren wir zu zweit unterwegs und hatten nur diese eine Flasche Wasser. Somit waren die Kilometer 60-80 eine Dehydrationstour. Als wir dann auch noch die letzte Versorgungsstation verpassten, verlor ich jede Hoffnung: Ohne Wasser noch unglaubliche 20 Kilometer bis zum Ziel – Z W A N Z I G KILOMETER!
Ich bewundere Gerald – so hieß mein Mammutheld, mit dem ich den Rest des Marsches bestritten habe – für seine unermüdliche Einstellung. Er hat mich nicht nur davor bewahrt, in einen Zug zu hüpfen und nach Hause zu fahren, er hat auch die Hoffnung niemals aufgegeben. Müde, schmerzerfüllt und dehydriert sagte er einfach: „Komm Angie, nur noch 17 km. Das sind circa 3 Stunden. Wir schaffen das!“ Nach 23 Stunden und 18 Minuten gingen wir über die Ziellinie und waren so erleichtert, wie niemals zuvor in unserem Leben.
Du kannst alles schaffen, wenn du willst!
Vor allem diese letzten Kilometer ohne Wasser haben mir gezeigt, dass man alles im Leben schaffen kann, wenn man nur will. Es war das Schrecklichste und gleichzeitig auch das Schönste, dass ich bis jetzt erlebt habe. Ich habe meine Grenzen überwunden und das Unmögliche geschafft.
Auch wenn ich davon überzeugt war, so etwas Schreckliches nie wieder zu machen, plane ich jetzt schon meinen nächsten Marsch.
Es ist eine einmalige Erfahrung, die ich jedem wärmstens empfehlen kann, denn mit meinen 5 Lektionen kann ja hoffentlich nichts mehr schief gehen.
Abenteuer gefällig?
Wenn ihr jetzt auch Lust bekommen habt, sowas Verrücktes zu probieren: Am 28. September kommen die Veranstalter mit dem Little Mammut zurück nach Wien. Hier könnt ihr bei 30 km oder 55 km ausprobieren, ob meine 5 Lektionen euch ins Ziel führen und vielleicht sieht man sich dann nächstes Jahr bei den 100 km wieder. Die Anmeldung für 2020 ist bereits möglich.
Wer gleich die 100 km bezwingen und nicht bis 2020 warten möchte, kann beim Mega Marsch Anfang Oktober in Wien mitmachen. Hier geht’s wie beim Mammutmarsch darum, die Strecke in unter 24 Stunden zu meistern.