"Nimm alles von mir, was mich fernhält von dir" - eine Woche in Taizé
Iris war im Februar eine Woche im französischen Taizé. Jeder ist in der Gemeinschaft der Taizé-Brüder willkommen, unabhängig von Religion, Nation oder Alter. Dort kann man eintauchen in ein ganz anderes Tempo, in die Ruhe, in den Dienst am Nächsten, in die Freundschaft, das Gebet und macht sich in der Einfachheit des Tagesablaufs, der Gesänge und Aufgaben auf eine spannende Reise. Nach einer Woche ist Iris klar - sie wird wiederkommen.
Was ist Taizé?
Taizé ist eine kleine Gemeinde im Osten Frankreichs mit nicht einmal 200 Einwohnern, nahe der Schweizer Grenze. Trotzdem ist die Chance, dass du schon einmal von Taizé gehört hast, groß. Denn dort lebt eine Gemeinschaft von Ordensbrüdern, deren Spiritualität in die ganze Welt ausstrahlt und die besonders für Jugendliche anziehend ist.
Das ganze Jahr über finden in Taizé Jugendtreffen statt. Im Winter kommen hunderte Jugendliche nach Taizé, im Sommer sind es Tausende, die dort eine Woche in Gemeinschaft und Gebet verbringen. Mir wurde gesagt, dass Taizé im Sommer wie ein großes Festival ist, mit Jugendlichen aus der ganzen Welt, Gesang und Gebet.
Taizé - Bekannt durch Gebet und Gesang
Zum ersten Mal begegnet bin ich Taizé in Wien, weil auch hier Taizégebete stattfinden. Diese zeichnen sich durch den typischen Ablauf und durch die charakteristischen Gesänge aus, die von den Brüdern selbst geschrieben und komponiert werden. Diese Gesänge sind relativ kurz und werden im Gebet oft wiederholt, wodurch sie schnell eine meditative und beruhigende Wirkung haben. Und sie können in verschiedenen Sprachen gesungen werden. Diese Gesänge waren es auch, die mich sofort fasziniert haben.
Tagesablauf
In der ersten Februarwoche bin ich dann in einer Gruppe nach Taizé gefahren. Schnell habe ich mich dort eingefunden, denn der Tagesablauf ist immer gleich. Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Gebet in der Versöhnungskirche, anschließend gibt es Frühstück. Am Vormittag gibt es dann noch eine kleine Bibeleinführung. Danach trifft man sich in Kleingruppen, sogenannten sharing groups, in denen man über die Bibelstelle und Impulsfragen spricht. Darauf folgt das Mittagsgebet und das Mittagessen. Nach dem Mittagessen hat man kurz eine Pause. Um 15 Uhr treffen sich dann alle, um gemeinsam zu arbeiten, meistens wird etwas geputzt. Nur so kann Taizé weiterhin für alle Jugendlichen ein schöner Ort bleiben. Gemeinsam macht das Arbeiten aber immer Spaß! Im Sommer finden nach dem Putzen Workshops statt. Im Februar, als ich dort war, gab es keine Workshops, dafür hatte man mehr Zeit, die Natur rund um Taizé zu genießen. Anschließend gibt es noch eine Jause und Tee. Um 19 beginnt das Abendessen, danach betet man noch das Abendgebet und dann ist Nachtruhe.
An meinen ersten Tagen in Taizé bin ich noch nicht so gut klargekommen mit der Umstellung auf die wirklich einfachen Verhältnisse dort. Die Schlafbaracken sind auf das einfachste reduziert, man teilt sich mit hundert anderen Menschen Toiletten und Duschen, es gibt keinen Geschirrspüler, man muss selbst Toiletten putzen… Nach ein paar Tagen habe ich aber verstanden, dass diese Einfachheit eigentlich wichtig für meinen Aufenthalt dort war, denn weil alles wurde auf das Essenzielle reduziert war, hat man gesehen, wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein.
Reduktion auf das Essenzielle
Dadurch, dass alles so ganz anders war als zuhause, konnte ich wirklich einen Abstand zum Alltag erlangen. Mir ist wieder klar geworden, was mich in meinem Leben eigentlich glücklich macht und was mir in meinem Alltag aktuell fehlt. Eine Woche in einfachsten Verhältnissen inmitten der wunderschönen Natur hilft dir, eine andere Perspektive auf dein Leben zu bekommen und neue Kraft zu tanken. In den Sharing Groups trifft man wildfremde Menschen und vertraut ihnen sofort sehr persönlich Dinge an, weil man in einer ganz anderen Welt ist und die gemeinsame Erfahrung einen zusammenschweißt. Ich würde sagen, Taizé ist ein Ort, an dem man wirklich deutlich den Heiligen Geist spürt – wenn man daran glaubt.
Ort der Versöhnung
Denn die Ordensgemeinschaft der Brüder ist ökumenisch und die Jugendtreffen richten sich explizit an alle Jugendliche, egal ob und woran sie glauben. Taizé möchte ein Ort der Versöhnung sein, zwischen Christinnen und Christen und allen Menschen, unabhängig ihres Glaubens. Ich glaube wirklich, dass die Gemeinschaft das erreichen kann. Denn man würde wohl kaum glauben, dass Zehntausende Jugendliche jährlich freiwillig eine Woche zum Beten nach Frankreich fahren.
Und doch geschieht genau das, weil dieser Ort so eine besondere Ausstrahlung hat und Menschen wirklich in ihrem innersten bewegen kann. Jetzt kann ich auch verstehen, warum ich noch nie jemanden getroffen habe, der nur ein Mal in Taizé war. Ich habe ganz viele Menschen, bevor ich dort war und jetzt eben in Taizé, getroffen, die zwei, fünf, neun oder sogar neunzehn Mal in Taizé waren, aber nie jemanden der ein Mal dort war und nicht wiedergekommen ist. Auch ich habe vor, noch einmal nach Taizé zu fahren. Vielleicht sogar schon diesen Sommer.