"Ich war nie zuvor so enttäuscht von mir"
Aufnahmeprüfung nicht geschafft, Traum geplatzt. Eva war noch nie so enttäuscht von sich selbst. Doch sie hat gelernt: Nicht immer läuft es, wie wir wollen. Wir müssen lernen, das zu akzeptieren und nur wissen, wie wir damit umgehen.
Ich hatte einen Traum
Da saß ich in Innsbruck und mein fünftes Semester des Medizinstudiums sollte beginnen. Vielleicht denkst du dir jetzt: "Cool, Medizin, die hat doch eh schon alles, was man haben möchte." Natürlich stimmte das irgendwie, aber im September vor dem fünften Semester war mir Medizin nicht mehr genug, ich wollte mehr lernen, wollte mehr wissen und wollte mehr tun.
Ich hatte ein Ziel: Ich wollte zusätzlich zum Medizinstudium auch noch Sport studieren. Und so meldete ich mich - in Anbetracht der fordernden Sport-Aufnahmeprüfung - zu allen möglichen Kursen auf der USI an und zusätzlich dazu auch noch zu Kursen, die auf die Sportaufnahme vorbereiten. Neben meinem regulären Unialltag investierte ich also von Montag bis Freitag auch noch 14 Stunden ins Training, war nur mehr am Sporteln; zu jeglichen Treffen mit Freund*innen kam ich - wenn überhaupt - zu spät und verschwitzt oder frisch geduscht, dafür aber wirklich spät .
Also ja, ich investierte viel: Viel Zeit, viel Geld und viele Nerven.
Die Spannung steigt
Kurz vor der Aufnahmeprüfung machte ich noch Probetests, die ich mit Bravour bestand, ich fühlte, dass ich das Zeug hätte, die Aufnahme zu schaffen. Also ging ich hin, es war Ende Februar 2017.
Erster Tag: Kurz blieb mir die Luft weg, als ich bei einer Übung im ersten Durchgang ausschied. Aber der zweite Durchgang derselben lief ohne Probleme. Alles in allem konnte ich zufrieden sein.
Zweiter Tag: Erste Übung war Körbe-Werfen beim Basketball - alles easy. Als Zweites stand Handball-Torwurf am Programm, also: Aus zehn Metern Entfernung einen Ball ins Tor werfen, man hat zwei Versuche, pro Versuch fünf Würfe, drei müssen rein. Ich kam hin und wartete, bis ich an der Reihe war, sah zu, wie andere Mädels gerade bravourös die Übung meisterten, hatte selber die Gewissheit, dass es beim Training immer super geklappt hat.
Und dann stand ich vor diesem Tor. Und plötzlich ging kein Ball hinein. Keiner. Dann doch wieder einer. Und dann wieder keiner. Es reichte nicht aus. Nicht beim ersten Versuch. Nicht beim zweiten Versuch.
Dann brach eine kleine Welt für mich zusammen und ich in Tränen aus.
Verfehlte Ziele ...
Ich war noch nie zuvor so enttäuscht von mir selber. Wie konnte es sein, dass ich, die bis zu diesem Zeitpunkt so gut wie alles Wichtige in ihrem Leben gemeistert hat, an einer so profanen Übung wie Handball-Torwurf scheitert?! Noch dazu stand da kein Mensch im Tor! Monatelang hatte ich ohne Unterlass trainiert, die Leute kannten mich nur noch verschwitzt, in Sportklamotten und mit Sporttasche im Schlepptau und dann musste ich ihnen erklären, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes mein Ziel verfehlt hatte.
Zu Beginn des Semesters hing ich in der Luft, ich hatte wieder Zeit und das fühlte sich ganz und gar ungewohnt an. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Ich ging zu ein paar Trainings, aber die absolvierte ich nur halbherzig. Erstens fehlte mir meine "Sportaufnahmemannschaft", mein Team und die Leute, die ich fast täglich gesehen habe, um mit ihnen zu trainieren.
Zudem wusste ich insgeheim, dass der Zug abgefahren war: Jenen Sommer sollte ich Thailand verbringen, zwei Wochen nach meiner Rückkehr wäre der nächste Termin für die Aufnahme gewesen, sprich, da war nicht viel zu holen. Überdies klappte auch das mühevoll Gelernte, wie der Felge-Aufschwung und der Umschwung am Reck, plötzlich nicht mehr. Nur die alte Angst. vom Reck zu fallen kam wieder in mir hoch.
Ich vertraute meinem Körper nicht mehr, nachdem er mich vor dem Handballtor so derartig im Stich gelassen hatte.
... neue Ziele
Zu Beginn des Semesters tat sich dafür aber auch etwas Neues auf: In der Unipfarre wurde ein Gospel- und Spiritualchor gegründet, dieser wurde mein zeitliches und soziales Auffangbecken. Mit dem Chor konnte ich eine alte Leidenschaft, das Chorsingen, wieder in mein Leben holen, ich hatte quasi wieder eine "Mannschaft" und vor allem musste ich niemandem etwas beweisen, schon gar nicht mir selbst.
Dann im Sommer, nach dem ersten Konzert mit dem neuen Chor und einer anstrengenden Lernphase hinter mir, flog ich erst mal für ein paar Wochen nach Thailand.
Den Weg betrachten
Natürlich war es hart, mir den Traum vom Sportstudium erstmal aus dem Kopf zu schlagen und es war auch kein Leichtes zu akzeptieren, dass nicht alle Pläne aufgehen, selbst wenn man hart dafür trainiert.
Dennoch war dieses Semester für mich sehr lehrreich, denn ich konnte sehen, was mein Körper schon alles drauf hat und was er lernen kann. Das hat mich überwältigt. Ich habe ein Gespür dafür bekommen, welche Bewegungsformen mir liegen und was mir Spaß macht, fühlte mich wie in einer Mannschaft, wo man sich gegenseitig unterstützte und Teamgeist herrschte. Die Fähigkeit, meine Tage zu planen und zu organisieren perfektionierte ich in diesem Semester.
Heute, über zwei Jahre nach meinem Scheitern, habe ich den Frust weggepackt und sage mir nun einfach: "Der Weg war das Ziel". Denn auf dem Weg hab gelernt und profitiere heute noch davon. Beispielsweise habe ich während des Trainings Freude an eleganten Bewegungsformen entdeckt und kombiniere sie nun mit meiner Liebe zur klassischen Musik: Vor einem Jahr - als blutige Anfängerin - fing ich an, Ballettunterricht zu nehmen. Nebenbei füllen die Unipfarre, der Chor und natürlich mein Studium, das mir wieder vollkommen genug ist, mein Leben ganz wunderbar aus.
Das Gute liegt vor dir ... und dahinter
Falls du also jemals an dem Punkt stehen solltet, dass du dich gescheitert fühlst, dann schau zurück, was auf dem Weg alles passiert ist und welche fantastischen Möglichkeiten sich unbemerkt geöffnet haben und welche großartigen Menschen du kennenlernen konntest. Natürlich darf man erst mal traurig sein, trotzdem gibt es so viele wunderbare Dinge, man muss sie einfach sehen können. Ich bin mir sicher, dass dir das auch gelingt. Alles Gute.